Ambler by Ambler
»Also, in diesem Licht hier kann ich es nicht lesen.«
»Lies mal die Widmung. Es ist für dich. Ich kann sie noch ändern, wenn sie dir nicht gefällt.«
Sie las die Widmung. »Na ja …«
»Wenn du willst, mache ich Elizabeth Dyson daraus.«
»Nein, bloß nicht. Wer macht denn den Umschlagentwurf?«
»Das bestimmt der Verlag.«
Die Lichter verlöschten allmählich, und sie gab mir das Buch zurück. Ich glaube, sie hat es nie gelesen.
In bezug auf meine schriftstellerischen Fähigkeiten hatte sie sich geirrt. Für prächtig ausgestattete Stücke über den Tod von Königen reichte es nicht, und mich mit so scharfsinnigen Krimiautoren wie Anthony Berkeley oder John Dickinson Carr messen zu können, durfte ich auch nicht hoffen. Was mir vorschwebte, falls ich als Bühnenautor nicht ankommen sollte, waren Beiträge für das ›Adelphi‹ oder vielleicht sogar das ›New English Weekly‹, für das Will Dyson gelegentlich etwas schrieb. Die einzige Art von populärem Roman, die mir am Herzen lag, war der Thriller der Nachkriegsära. Ich fand keinen, den ein zweites Mal zu lesen sich gelohnt hätte.
Es waren die Schurken, die mich am meisten störten. Ob machtbesessen oder klarsichtig, Meistergangster oder altmodische Spitzbuben, ich glaubte ihnen kein Wort mehr. Auch der leidenschaftlichen Art, wie sie Unrecht taten und Anschläge auf die Zivilisation verübten, glaubte ich nicht. Ihre Verschwörungen kamen mir nicht viel greifbarer vor als ein Luftballon, der viel zu prall aufgeblasen ist und bei der leisesten Berührung quietschte und in dem traurige alte Figuren wie getrocknete Erbsen herumkullerten. Der Held spielte anscheinend keine sehr wichtige Rolle. Oft war er nur einer, der auf der Flucht war und der, von den Hunden des Bösewichts gehetzt, sich am Ende umdrehen und seinen Verfolgern gegenübertreten würde. Er konnte ein rauher Bursche mit stahlgrauen Augen und Gewehrfutteralen unter beiden Schultern sein oder ein reicher, abenteuerlustiger Dandy. Er konnte auch ein chauvinistischer Exoffizier mit einem unangenehm antisemitischen Einschlag sein. Auf all das kam es eigentlich nicht an. Was er brauchte, um als Held fungieren zu können, war geradezu grenzenlose Dummheit, im Verein mit übermenschlichen Kräften und unzerbrechlichen Knochen.
Aus meiner Sicht konnte es mit dem Thriller nur aufwärts gehen. Es fehlte mir nicht an Selbstvertrauen. Mit Der dunkle Grenzbezirk sollte der Aufwärtstrend beginnen. Gott sei Dank hatte ich mit dem Buch nur sehr mäßigen Erfolg.
Die Schurkerei, die ich mir zurechtlegte, war durchaus realistisch. Durch das, was ich während meines vor Jahren veranstalteten Gastspiels in der iee -Bibliothek gelesen hatte, war ich zu Kenntnissen gelangt, die im Jahre 1935 noch ziemlich esoterisch waren. Ich wußte von den Arbeiten über die Struktur des Atoms und von den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Beispielsweise wußte ich, oder hatte gefolgert, daß irgendwann einmal eine Atombombe hergestellt würde und daß derjenige, der als erster in ihren Besitz kam, unvorstellbare Macht über den Rest der Menschheit haben würde. Mir war auch klargeworden, daß sich diese Bedrohung in überwältigende politische Macht ummünzen ließe, sobald eine einsatzfähige Bombe existierte.
Der erste Fehler, den ich beging, bestand darin, die wirtschaftlichen und industriellen Ressourcen, die zur Entwicklung der Bombe benötigt würden, zu unterschätzen. Ich glaubte, die Bombe ließe sich in einem einzigen Laboratorium von einem Team ruritanischer Wissenschaftler herstellen. Heutzutage könnte sie bestimmt von deren Schülern hergestellt werden. Im Jahre 1935 jedoch hatte meine Unwissenheit den Alptraum von faschistischen Verschwörern in einem Balkanstaat, die mittels atomarer Erpressung die Welt beherrschen wollen, ein wenig entstellt. Hätte ich etwas mehr gewußt, dann hätte ich einen womöglich nicht ganz folgenlosen Science-Fiction-Roman geschrieben.
Der Umstand, daß ich die atomare Bedrohung auf etwas Melodramatisches reduzierte, hatte noch andere trivalisierende Effekte. Mich auf C. G. Jung als Autorität berufend (ohne seine Erlaubnis natürlich), veranstaltete ich mit dem Helden Spiele à la »Gespaltene Persönlichkeit«. Das war eindeutiger Schwindel. Die »Carruthers«-Hälfte der Persönlichkeit war die Parodie eines Helden, die ich hauptsächlich zu meiner eigenen Gaudi eingeführt hatte. Es machte mir Spaß, ihn und die Thriller-Literatur im Stile des frühen E. Phillips
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