Ambler by Ambler
australischen Infanterie an der Somme. Obwohl Bill als offizieller Pressezeichner technisch einen Nicht-Kombattantenstatus hatte, war er zweimal verwundet worden. Er hatte den Stellungskrieg erlebt und wußte, was Nahkampf war. Manchmal hätten die Australier gerne Gefangene gemacht und manchmal nicht. Über derartige Dinge zu sprechen fiel ihm leicht, wenn er einen interessierten Zuhörer hatte. Über Betty zu sprechen fand er schwieriger. Ich erinnere mich nur an ein einziges Mal.
Sie kam später als sonst, und er wollte noch in den Chelsea Arts Club. Er stand auf und sagte, ich sollte mir ruhig noch nachschenken. Dann hielt er inne und verzog seine dünnen Lippen zu einem Grinsen. »Setz dir bloß nicht in den Kopf, Betty heiraten zu wollen«, sagte er, »sie würde dich unglücklich machen.«
»Ach was, das würde ihr doch nie einfallen!«
»Ausgezeichnet«, sagte er und ging.
Zu dieser Zeit hatte Betty nicht die Absicht, irgend jemand zu heiraten. Über ihre diesbezüglichen Vorstellungen hatte ich mir schon ein recht klares Bild gemacht. Falls sie jemals heiraten würde, dann müßte ihr Mann nicht nur reich, kultiviert und im Bett ungeheuer athletisch sein, sondern auch von geradezu hündischer Treue und grenzenloser Willfährigkeit. Wenn sie, sagen wir mal, verreisen und bei griechischen Freunden in Nizza oder Juan-les-Pins ein paar Wochen verbringen wollte, so dürfte er natürlich nicht erwarten, mitgeteilt zu bekommen, um welche griechischen Freunde es sich handelte oder wo sie wohnten. Wenn sie ihm von ihren Auslandsreisen ein unerwartetes Geschenk mitbrächte – Filzläuse vielleicht, oder einen Tripper –, dann dürfte seine Entdeckung nur ein Anlaß sein, sich überrascht zu zeigen, daß die Natur den Unschuldigen und Ahnungslosen doch immer wieder ein Schnippchen schlug. Mitgefühl wäre in Ordnung. Kritik nicht. Alle Fragen sollte er sich lieber verkneifen. Er müßte lernen, mit derartigen Überraschungen zu leben.
Ich verliebte mich sehr in Betty. Sie konnte sich noch so schlimm aufführen, als ihr Freund mußte man begreifen, daß es ihr selbst oft nicht recht bewußt war. Sie wollte, manchmal allzu vehement, ihren Spaß haben. Sie wollte, daß ihre Freunde sich auch amüsierten und, wenn es ging, Erfolg hatten. Es bereitete ihr Freude, anderen zu helfen – durch ein Wort des Lobes oder dadurch, daß sie sie mit anderen Menschen zusammenbrachte.
Bei ihren nicht-asiatischen Freunden handelte es sich größtenteils um nicht-englische homosexuelle Künstler und Schauspieler. In dieser Clique war ich ein Kuriosum: ein farbloser, mehr oder weniger heterosexueller englischer Schriftsteller. Hat sie meine Füße auf die Sprossen der Erfolgsleiter gesetzt? Bei dieser Vorstellung hätte sie schallend gelacht. Für ihre Begriffe waren Leitern etwas, was von hinterlistigen Karrieristen benutzt wurde. Künstler (und natürlich auch Schriftsteller) konnten nur durch Arbeit vorankommen. Das wisse doch jeder! Was verstehen diese Armleuchter eigentlich unter Erfolg? Geld? Allmächtiger!
Etwas vorschnell nahm ich Betty mit zu einer Studentenaufführung von Einaktern. Eines der Stücke war von mir. Es gefiel ihr nicht, und sie gab es mir deutlich zu verstehen. Später jedoch erbarmte sie sich zu der Frage, warum ich keine Dreiakter schriebe.
»Du meinst, wie Night Must Fall ?« Das neue Stück von Emlyn Williams hatte mich tief beeindruckt.
»Nein«, sagte sie, »eher wie Richard von Bordeaux oder Spring 1600 . Statt diesem Blödmann von Motley kann ich dann die Kostüme entwerfen!«
Sie arbeitete zu dieser Zeit am Old Vic und war neidisch auf die finanziellen Möglichkeiten, die Motley und seinem Team an den Westend-Bühnen zur Verfügung standen. Sie machte mich darauf aufmerksam, daß der Autor des Richard-Stückes auch Detektivgeschichten schreibe. Das könne ich doch auch, wenn ich mich anstrengte.
Betty war keine große Leserin von Romanen. Als ich ihr ein Leseexemplar von Der dunkle Grenzbezirk gab, betrachtete sie es argwöhnisch. Sie wußte natürlich, daß ich ein Buch geschrieben hatte, doch dies war das erste, was sie davon sah. Es war Sonntagabend, wir saßen in einem Kino in der King’s Road und warteten auf den Beginn der Vorstellung.
»Ist es eine Detektivgeschichte?« fragte sie.
»Nein, ein Thriller. Oder die Parodie eines Thrillers. Ich weiß nicht so genau.«
Bei dem Wort Parodie hatte sich ihre Miene aufgehellt, aber sie faßte das Buch noch immer mit spitzen Fingern an.
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