Ambler by Ambler
die Sprache vielleicht verstünde, und als Blanche fragte, warum wir dieses Gesöff (pinard) bekämen, das irgend jemand ihnen zu Weihnachten geschenkt hatte, meinte er, er befolge lediglich Alfreds geänderte Anweisung. Alfred, nunmehr verlegen, verteidigte sich mit dem Hinweis darauf, daß man in zahlreichen Pariser Bistros heute hören könne, daß einige algerische Tafelweine inzwischen besser seien als französische.
»Das ist mir neu«, sagte ich.
Alfred war jetzt wirklich wütend. »Vielleicht gehst du nicht in die richtigen Bistros!«
»Bistro« war noch kein Modewort, jedenfalls nicht in Frankreich. Damals bezeichnete das Wort noch immer ein einfaches Café-Restaurant, das von den Leuten des Viertels besucht wurde.
»Das einzige Bistro, in dem ich unlängst war«, sagte ich, »ist zwei Häuser neben dem ›Dôme‹. Abends trifft man dort immer eine Menge Taxifahrer. Für sechs Franc bekommt man ein gutes Stammgericht. Der algerische Wein, der dort ausgeschenkt wird, ist im Preis der Mahlzeit inbegriffen. Er ist nicht schlecht, aber die Taxifahrer nennen ihn trotzdem pinard. «
Alfred war sauer, und Blanche verkündete, daß sie bald ins Bett gehen werde.
Die Heimreise auf der ›American Exporter‹ war so ruhig, daß ich schreiben konnte. Als ich Dimitrios bei Hodder ablieferte, waren alle in freudiger Erregung. Phillip Hewitt-Myring hatte in seiner Rezension von Anlaß zur Unruhe im ›News Chronicle‹ geschrieben, daß er mich, wenn das nächste Buch genauso gut sei, als »den besten lebenden Thrillerautor« bezeichnen müßte. Das war genau jenes umsatzfördernde Zitat, mit dem Hodder den Schutzumschlag meiner Bücher dekorieren wollte. Die Leute im Verlag meinten, Dimitrios würde ihn überzeugen.
Von dem Titel war er allerdings nicht angetan. Den Grund dafür habe ich nie genau herausbekommen. Die einleuchtendste These, zu der ich durch Andeutungen und Seufzer im Büro von Leonard Cutt gelangte, war die, daß irgend jemand oben in der Verlagsleitung merkwürdige Theorien über den schlechten Klang bestimmter Wörter vertrat, den sie bei Verwendung in Titeln annähmen. Er wisse, wann ein Wort stimme. Er könne es nicht erklären. Es sei so etwas wie ein sechster Sinn. Erst hatte es bei Background to Danger nicht gestimmt, und jetzt bei Dimitrios . Ich habe nie gefunden, daß es sich lohnte, die unerklärlichen sechsten Sinne übergeordneter Instanzen in Frage zu stellen, es sei denn, man war bereit, bis zum bitteren Ende zu kämpfen und Blut zu vergießen. Ein andermal vielleicht. Fairerweise sollte ich erwähnen, daß auch Warner Brothers mehr für den Vorschlag aus der oberen Etage waren, als sie das Buch zwei Jahre später verfilmen wollten. Auch hier war ein sechster Sinn am Werk.
Alfred hatte die Sache mit der Fünften Brahms und dem algerischen Wein noblerweise vergessen und schrieb mir einen sehr herzlichen Brief zu Dimitrios . Er wolle sich darum kümmern, daß das Buch anständig besprochen werde. Ihm gefalle der Titel, den ich mir ausgedacht habe, und er fände die Änderung töricht. Kanadische Buchhändler, die sowohl amerikanische als auch englische Bücher verkauften, würden sich bestimmt nicht freuen.
Inzwischen hatte Hitler das Münchener Abkommen zerrissen und war über die Tschechoslowakei hergefallen. Ich fuhr nach Paris zurück, wo man leichter, d. h. ohne einen Wutanfall zu bekommen, von britischen Garantien für die territoriale Integrität Polens lesen konnte. Ich las, außer den englischen, sehr viele französische Zeitschriften und ging oft zur Schreibwarenhandlung W. H. Smith in die Rue de Rivoli. Im ersten Stock dort befand sich eine Teestube, und auch dorthin pflegte ich zu gehen. Ich hatte mir im Laufe der Jahre in beklagenswertem Maße angewöhnt, den Unterhaltungen anderer Leute zuzuhören. Smith’s Tea-Room war ein erstklassiger Horchposten. Heimliche Liebschaften waren am interessantesten, aber es gab auch anderes. Von einem Hotel ›Mont Thabor‹ hörte ich erstmals bei Smith’s. Es lag um die Ecke in einer gleichnamigen Straße. Mir gefiel der Klang des Namens.
Mir gefiel auch, wie es aussah. Ich sprach mit dem spanischen Geschäftsführer. Er hätte etwas ganz oben unterm Dach, ich könne es billiger haben, wenn ich länger bliebe. Der Raum, ein erst kürzlich ausgebauter Dachboden mit steil zulaufenden Seitenwänden, war eigenartig geschnitten, aber hell und sauber und bequem. Mit dem einen Koffer, den ich besaß, und meiner Tasche voller Bücher zog
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