Ambler by Ambler
ich sofort ein.
Den Koffer und die Bücher erwähne ich deswegen, weil ich mir ihrer damals sehr bewußt war. Ich betrachtete sie mit Genugtuung und auch einer gewissen Selbstgefälligkeit. Sie waren mein einziger Besitz. Ich hatte demnach wenig zu verlieren. Sie stellten eine Freiheit dar, die mir wichtig war. Wenn eine Idee allzu leicht oder allzu offenkundig nach Erfolg aussah, dann würde ich mich umdrehen und weggehen, ohne weiter darüber nachzudenken. »Wenn es unkompliziert ist, dann stinkt es vermutlich.« Das war die Überzeugung, die ich mir immer würde leisten wollen.
Unreif? Ja, ganz bestimmt. Ich muß wohl als Spätentwickler angesehen werden, und zwar als einer, der in dieser Phase ausschließlich mit sich selbst beschäftigt ist. Ich weiß noch, wie der Geschäftsführer des ›Mont Thabor‹ aussah, kann mich aber nicht mehr daran erinnern, wie ich meine erste Frau kennenlernte. Ich glaube, John Hilliard stellte mich ihr in einem Café am Rond Point vor, aber ich bin mir nicht ganz sicher. Unreif und gedankenlos.
Louise Crombie war in Portland (Oregon) geboren worden und hatte das Mills College besucht, eine Mädchenschule in Kalifornien. Sie war dann auf eine Kunstakademie gegangen. Nach dem Tod ihres Vaters zog die Familie nach New Jersey. Louise versuchte, als Zeichnerin in der New Yorker Modewelt Fuß zu fassen, und verdiente sich nebenher ihren Lebensunterhalt als Jazzpianistin in einer Musikalienhandlung. Sie heiratete, bekam drei Kinder, erkannte, daß ihr Mann ein unheilbarer Alkoholiker war, und ließ sich von ihm scheiden. Um seinen Unterhaltsverpflichtungen aus dem Weg zu gehen, zog er in einen anderen Bundesstaat. Wieder mußte sie Geld verdienen. Während Louise ihre Karriere als Zeichnerin verfolgte, sorgte ihre Mutter, eine Sprachlehrerin in New Jersey, für die Kinder (zwei Mädchen, ein Junge).
Über ein zweitklassiges amerikanisches Modejournal bekam sie eine Akkreditierung als Modekorrespondentin in Paris. Von dort aus belieferte sie die Illustratoren von ›Vogue‹ und ›Harper’s Bazaar‹ mit Modeskizzen (croquis).
In der Pariser Modewelt nahm der croquis einen kuriosen Platz ein. Die berühmten Designer wie Balman und Dior verkauften Entwürfe und ganze Kollektionen an ausländische (hauptsächlich amerikanische) Warenhäuser. Die Vorführ- und Verkaufssaison war eine kritische Zeit. Ein wirklicher Schutz der Entwürfe konnte nur durch totale Geheimhaltung geboten werden. Das verstanden die Einkäufer. Sie waren an Exklusivität interessiert, aber auch an einer möglichst breiten Werbung in den Modezeitschriften. Die Modehäuser waren standhaft geblieben. Fotografen, mit deren Hilfe allzuleicht Designraub betrieben werden konnte, sollten erst ganz zum Schluß an die Reihe kommen. Man fand einen Kompromiß, den vertrauenswürdigen Croquis-Zeichner. Wie entschieden wurde, wer zu den Vertrauenswürdigen zählte, weiß ich nicht. Die ganze Sache lief so: der croquis , eine mit Erläuterungen versehene Skizze, wurde nach New York geschickt. Diese Skizze bot den dortigen Modezeichnern alles, was sie über die neuen Modelle wissen mußten. Sie konnten nun, unter Zuhilfenahme eigener Phantasie und Erfahrung, ein anschauliches Bild der neuen Mode liefern. Die veröffentlichte Illustration war zwar von geringem Wert für die Designräuber, aber genau das, was die Leserinnen der Modejournale suchten, nämlich den künstlerischen Eindruck einer neuen Mode. Daß die Modehäuser ihre eigenen Fotografen hatten, kam erst später auf.
Ich lernte Louise kennen, als sie über die großen Sommermodeschauen berichtete, die alljährliche Offenbarung der Pariser Modevorstellungen für das folgende Jahr. Sie hatte alle Hände voll zu tun.
Sie wohnte zur Untermiete bei einer furchtbar englischen alten Jungfer namens Winifred Harle, die in der Rue Marbeuf ein Schreib- und Übersetzungsbüro hatte. Miss Harles Wohnung lag über ihrem Büro und war für sie und ihre Haushälterin allein viel zu groß. Louise kam wie gerufen. Miss Harle mochte sie und hatte bald herausgefunden, daß Louise von ihrer Arbeit unterschiedlich stark beansprucht wurde, je nach Jahreszeit. Als vereidigte Gerichtsdolmetscherin für Französisch-Englisch wurde Miss Harle oft von der amerikanischen Botschaft in Untersuchungskommissionen entsandt. Diese Arbeit konnte zeitraubend sein, und dann haben sich ihre eigenen Klienten oft beschwert. Wenn es ihr zuviel wurde, pflegte sie Louise zu überreden, ins Büro
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