Ambler by Ambler
hinunterzugehen und an der Schreibmaschine oder am Vervielfältigungsapparat ihrem französischen Personal ein wenig zu helfen. Daß ich in Louises Freizeit einbrach, paßte ihr gar nicht. Sie besaß einen übellaunigen Sealyham-Terrier namens Bingo, den sie, mit einem sphinxhaften Lächeln über die merkwürdigen Neigungen und Abneigungen ihres Lieblings, von der Leine ließ, damit er mich angreifen könne. Ich hatte Angst vor dem Ding. Das einzige, was mir zu meinem Schutz einfiel, war die Bemerkung, daß Bingo eigentlich keine Rassezüchtung sein könne – viel zu dick und viel zu lange Beine. Ob ich wirklich ein Engländer sei? Ein Gentleman sei ich jedenfalls nicht.
Als die Zeit der Modeschauen fürs erste vorbei war und Louise zu mir ins ›Hôtel Thabor‹ zog, wurde alles viel einfacher. Louise brauchte Urlaub, also fuhr ich mit ihr ins ›Hôtel Réserve‹ in Agay unten an der Küste zwischen Toulon und Saint-Raphael. Agay war der Ort, den ich in Nachruf auf einen Spion als St. Gatien beschrieben hatte.
Bald nach unserer Rückkehr nach Paris fuhr Louise in die Rue Marbeuf 19 , um dort einen Koffer abzuholen, den sie bei der Concierge gelassen hatte. Das jedenfalls war die Begründung, die sie mir gab. Meine eifersüchtigen Anspielungen hat sie nie ernstgenommen. Statt dessen amüsierte sie mich mit einer Schilderung der Szene, wie ihre Mutter Radclyffe Halls Quell der Einsamkeit , das sie zum ersten Mal gelesen hatte, mit dem Kommentar abtat: »Ach, bei uns in Portland gibt’s sowas nicht!« Wohl um zu beweisen, daß es das auch in der Rue Marbeuf nicht gegeben hatte, ging sie los, um sich mit Win Harle zu versöhnen.
In Agay hatten wir uns überlegt, zu heiraten. Louise erwähnte das in der Rue Marbeuf etwas voreilig beim Tee und war verblüfft, mit welcher Wut sie von der Frau beschimpft wurde, die sie für ihre Freundin gehalten hatte. Erbost rief ich bei Miss Harle an und verlangte eine Erklärung und eine Entschuldigung. Sie war die Liebenswürdigkeit selbst, fand, daß ich Win zu ihr sagen sollte, und bestand darauf, daß wir an einem der nächsten Tage vorbeischauen und ihr bei einem Glas Sherry verzeihen sollten.
Der Sherry war etwas süßlich. Ihren Hund hatte Win im Griff, sich selbst aber nicht. Sie trank mäßig, aber regelmäßig, meistens nachmittags nach dem Tee, wenn sie ihren Bingo spazierenführte. Gewöhnlich unterbrach sie ihre Runde in gewissen Cafés im Dreieck Elysée-Montaigne-Marceau, um dort rasch etwas zu trinken. Bevorzugt Portwein. Bei unserer Friedenskonferenz trank sie, über die bereits konsumierte Portweinmenge hinaus, auch den meisten Sherry. Bald wurde sie aggressiv. Wie komme eine geschiedene Amerikanerin mittleren Alters mit drei Kindern dazu, fauchte sie plötzlich, einen arbeitslosen, ledigen Engländer zu heiraten, der sechs oder sieben Jahre jünger sei. Sie könne ja nicht einmal auf Alimente oder Unterhaltszahlungen zurückgreifen. Das könne ja nur mit einer Katastrophe enden. Ich machte geltend, daß ich nicht arbeitslos war. Nicht allein arbeitslos, fuhr sie mich verächtlich an, sondern bald auch Rekrut in der britischen Armee. Offizierspatente würde man dort nur an Gentlemen vergeben. Es sei denn, ich würde bei Kriegsausbruch nach Amerika oder in eine der Kolonien abhauen und es meiner Frau überlassen, mich mit ihren künstlerischen Talenten zu unterstützen. An diesem Punkt verlor Win die Kontrolle über ihr Gebiß. Wir dankten ihr für den Sherry und gingen.
Wir versuchten, uns den Ärger vom Leibe zu lachen, aber es gelang uns nicht richtig. Win Harle hatte zwar kein Recht, sich für oder gegen unsere Heirat auszusprechen, doch wir beide hatten Familien, denen dieses Recht zustand und die sich zu diesem Thema auch bestimmt unverblümt äußern würden. Angenommen, die Kinder fänden mich unsympathisch oder könnten die englischen Schulen nicht leiden, auf die man sie vielleicht würde schicken müssen? Und würde ich wirklich so viel Geld haben, um eine Familie versorgen zu können? Wo würden wir wohnen? In Frankreich? Sue und Ann, die Mädchen, würden bald von der High School abgehen, könnten, selbst wenn sie studierten, ohne fremde Hilfe zurechtkommen. Aber Mike? Und wie groß war die Aussicht, daß in diesem Jahr noch ein Krieg ausbrach? Hauptsache, wir fuhren erst einmal nach Amerika, um mit den Kindern zu sprechen und herauszufinden, was sie von der Sache hielten. Würden wir als unverheiratetes Paar eine gemeinsame Schiffskabine bekommen?
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