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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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von Margaret Mead, der ihn damals schwer beeindruckt hatte: »Man darf nicht daran zweifeln, dass eine kleine Gruppe Bürger durch Klugheit und Einsatz die Welt verändern kann. Denn nur solchen Gruppen ist es im Lauf der Geschichte jemals gelungen.«
    Ambler erreichte den Buchstaben A der Studentenfotos und fuhr mit dem Finger die Reihe rechteckiger Schwarz-Weiß-Fotos voller Zahnspangen und wilder Frisuren hinunter. ALLEN, ALGREN, AMATO, ANDERSON, ANDERSON, AZARIA. Sein Lächeln erstarb.

    Die Fotos waren in fünf Viererreihen angeordnet. Es war vollkommen klar, wo HARRISON AMBLER hätte stehen müssen.
    Nichts. Nicht einmal eine Lücke mit der Aufschrift KEIN FOTO VORHANDEN. Nur das Gesicht eines anderen Studenten, an den Ambler sich dunkel erinnerte.
    Ihm wurde schwindelig, eine leichte Übelkeit überkam ihn.
    »Was ist los?«, fragte Laurel. Sie sah, worauf er zeigte, und wirkte ebenfalls geschockt.
    »Es ist das falsche Jahrbuch«, sagte sie. »Ich bin so dumm. Ich habe das Jahr verwechselt, oder?«
    »Nein«, keuchte Ambler. »Das Jahr stimmt. Ich bin falsch.« Er atmete tief aus, kniff die Augen zusammen und riss sie dann weit auf. Er starrte auf die Seite, als könne er allein durch seine Willenskraft dort etwas sehen, was er bisher nicht gesehen hatte. Etwas, das einfach nicht da war.
    Das war vollkommen unmöglich.
    Eilig und verzweifelt blätterte er zum Index vor. ALLEN, ALGREN, AMATO, ANDERSON.
    Kein AMBLER.
    Er blätterte weiter, bis er ein Gruppenfoto der Rudermannschaft von Carlyle gefunden hatte. Er erinnerte sich an die Trikots, an das verdammte Boot – ein ziemlich schäbiger Donoratico Achter –, das im Bildhintergrund zu sehen war. Aber sich selbst fand er nicht. Junge Männer in gelben Carlyle-Trikots und Shorts. Die ganze Mannschaft war da, junge, selbstbewusste Männer, die für das Foto aufrecht, mit stolzgeschwellter Brust dastanden. Es waren – er zählte – dreiundzwanzig Studenten. Er kannte alle Gesichter. Hal Ambler war nicht dabei.
    Mechanisch suchte er weiter, bis er weitere Gruppenfotos von Mannschaften, Ereignissen und Aktivitäten fand, auf denen
eigentlich auch er auftauchen müsste. Er war nirgendwo zu sehen.
    Osiris’ Worte kehrten zu ihm zurück: Denken Sie an Ockhams Rasiermesser: Was ist die einfachste Erklärung? Es ist einfacher, den Inhalt Ihres Kopfes zu verändern, als die ganze Welt umzukrempeln.
    Harrison Ambler war – eine Fiktion. Eine brillante Erfindung. Ein aus dem Nichts zusammengebrautes Leben, das aus unzähligen, realen Fragmenten bestand, die einem anderen Mann eingetrichtert worden waren. Angereicherte Datenströme. Echte Erinnerungen wurden ausgelöscht und durch künstliche ersetzt. Einen konstanten Strom lebendiger, nicht chronologisch angeordneter Episoden, die ständig die Reihenfolge änderten. Er war eine Tafel, die abgewischt und dann neu beschrieben worden war.
    Ambler griff sich mit beiden Händen an den Kopf. Er wurde von Entsetzen und Fassungslosigkeit erfasst. Dem Gefühl, dass jemand ihm etwas Unersetzliches gestohlen hatte: seine Identität.
    Als er den Kopf wieder hob, starrte Laurel ihn mit tränenüberströmtem Gesicht an.
    »Lass sie nicht gewinnen«, sagte sie leise.
    »Laurel«, begann er.
    »Tu dir das nicht an.« Ihre Stimme gewann an Stärke.
    Er spürte, wie er in sich zusammensank wie ein Astralkörper, der von seiner eigenen Erdenschwere erdrückt wird.
    Laurel schlang die Arme um ihn und flüsterte: »Kennst du das Gedicht? >Ich bin Niemand. Wer bist du? Bist du auch Niemand?< Lass uns zusammen niemand sein.«
    »Laurel«, setzte er wieder an, »das darf ich dir nicht antun.«
    »Das darfst du dir selbst nicht antun«, erwiderte sie. »Sonst haben sie gewonnen.« Sie packte ihn fest an beiden Schultern
und schüttelte ihn, als wolle sie ihn aus den endlosen Weiten seines Geistes ins Hier und Jetzt zurückholen. »Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Es geht um Instinkte, nicht wahr? Manchmal wissen wir die Wahrheit, ohne sie beweisen zu können. Ich weiß, dass ich mich nicht mehr einsam fühle, wenn ich dich ansehe. Und ich hatte schon fast vergessen, wie das ist. Ich fühle mich sicher, wenn ich bei dir bin. Ich weiß, dass du ein guter Mann bist. Und zwar, weil ich das Gegenteil viel zu gut kenne. Glaub mir. Mein Exmann hat mir das Leben zur Hölle gemacht. Ich musste eine einstweilige Verfügung gegen ihn beantragen, und die hat auch nichts genutzt. Ich habe genau gesehen, wie diese Männer von gestern

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