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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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Augenblick die Mimik nicht zu dem, was der Betreffende sagt. Die Versuchsperson sieht traurig
aus, aber dann für einen Sekundenbruchteil plötzlich triumphierend. Der Ausdruck ist so flüchtig, dass wir ihn nicht bewusst wahrnehmen. Tarquin ist kein Zauberer. Er reagiert nur auf die flüchtige Mimik, die wir anderen einfach nicht registrieren.«
    »Das heißt, er sieht mehr als andere. Aber was?«
    »Interessante Frage. Mimikforscher haben herausgefunden, dass bestimmte Muskelkombinationen daran beteiligt sind, wenn wir unsere wahren Emotionen unterdrücken. Wenn jemand spontan lächelt, dann zieht er dabei automatisch die Mundwinkel ein bisschen nach unten. Aber wenn man das bewusst macht, bewegt man dabei auch einen Muskel am Kinn, der bei echten Emotionen – also in diesem Fall Freude - nicht beteiligt ist. Bei einem aufgesetzten Lächeln bewegen sich auch manche Stirnmuskeln nicht so, wie sie sollten. Unkontrollierbare Muskelbewegungen im Augenlid oder der Augenbraue verraten Arger oder Überraschung. Wer simuliert, lässt also feine Unstimmigkeiten im Spiel seiner Gesichtsmuskeln erkennen. Außer man ist ein >Method-Schauspieler< und empfindet diese gespielten Emotionen wirklich. Die meisten dieser Unstimmigkeiten nehmen wir nicht wahr, weil sie viel zu flüchtig und unauffällig sind. Die Gesichtsmuskeln können auf mehrere Hundert Arten interagieren. Es ist, als stünden wir vor einer bunten Leinwand, auf der wir aber nur Graustufen unterscheiden können. Und ein Kerl wie Tarquin sieht alle Farbschattierungen.«
    »Das macht ihn zu einer verdammt gefährlichen Waffe.« Norris zog seine buschigen Augenbrauen besorgt zusammen. Was er gerade gehört hatte, gefiel ihm gar nicht.
    »Zweifellos«, sagte Caston. Den Verdacht, der in seinem Geist allmählich heranreifte, äußerte er nicht. Den Verdacht, dass Tarquins außergewöhnliche Begabung mit seiner Einlieferung
- und der Tatsache, dass seine zivile Identität ausradiert worden war – in Zusammenhang stehen könnte. Caston hatte diesen Verdacht noch nicht logisch analysiert. Aber der Tag war schließlich noch jung.
    »Er hat zwanzig Jahre für uns gearbeitet.«
    »Stimmt.«
    »Und nun arbeitet er aller Wahrscheinlichkeit nach gegen uns.« Norris schüttelte den Kopf so heftig, als wolle er eine Fliege verscheuchen. »Die Vorstellung, dass ein Mann dieses Kalibers für die Gegenseite arbeitet, ist kaum zu ertragen.«
    »Das gilt für jede Seite«, fügte Caston grimmig hinzu.

Kapitel vierzehn
    Der düstere, kanadische Nachmittag wirkte viel freundlicher, als Laurel ihn auf dem Handy anrief.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Ambler drängend.
    »Es geht mir gut, Hal, wirklich gut«, sagte sie. Er hörte, dass sie sich bemühte, gelassen zu klingen. Um seinetwillen. »Alles in Ordnung. Tante Jill geht es gut, mir geht es gut. Und ihren sechzig Gläsern Pfirsichkonfitüre geht es auch gut. Obwohl du nicht nach ihnen gefragt hast und niemand sie jemals essen wird.« Sie bedeckte kurz den Hörer mit der Handfläche und sprach mit jemandem in ihrer Nähe. »Tante Jill lässt fragen, ob du Pfirsichkonfitüre magst.«
    Ambler erstarrte. »Was hast du ihr ...«
    »Von dir erzählt? Überhaupt nichts.« Sie senkte die Stimme. »Sie nimmt an, dass ich mit meinem Freund telefoniere. Meinem >Verehrer<, wie sie es ausdrückt. Stell dir das vor.«
    »Und dir ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen? Überhaupt nichts?«
    »Nein, nichts«, sagte sie. »Nichts«, wiederholte sie zu hastig.
    »Erzähl mir von diesem Nichts«, sagte Ambler.
    »Ach, es war wirklich nichts. Ein Typ von der Ölfirma hat vor Kurzem angerufen. Er wollte Tante Jills Kundendaten aktualisieren und hat mich über die Heizung ausgefragt. Als er wissen wollte, wie viel Öl wir verbrauchen und was für ein Ölbrenner im Haus ist, musste ich das nachschauen. Und da fiel mir auf, dass Tante Jill gar nicht mit Öl heizt, sondern mit
Erdgas. Als ich wieder zum Telefon kam, hatte der Typ aufgelegt. War vermutlich eine Verwechslung.«
    »Von welcher Firma war er?«
    Sie schwieg einen Moment. »Hm. Den Namen hat er nicht gesagt.«
    Ambler gefror das Blut in den Adern. Er kannte diese Vorgehensweise genau: die unschuldige Verwechslung, den freundlichen, professionellen Anruf, bestimmt nicht der einzige, den sie getätigt hatten – während sie eine Voiceprint-Analyse durchführten.
    Sie hatten Laurel gefunden.
    Er blieb noch ein paar Sekunden stumm, denn er wollte erst sprechen, wenn er sich wieder unter

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