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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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Identitätskrise?«, schnaubte Ambler. »Also bitte. Wenn ein Computerprogrammierer sich in eine kleine Lehmhütte in Mexiko verzieht und nur noch Carlos Castañeda liest, spricht man von einer Identitätskrise. Wenn ein Marketingmanager beschließt, seinen Job zu kündigen, weil er zukünftig veganische Muffins an Bioläden verkaufen will, spricht man vielleicht von einer Identitätskrise. Aber was mir angetan wurde, geht doch wohl darüber hinaus. Können wir uns darauf einigen?«
    Caston zuckte entschuldigend mit den Achseln. »Hören Sie. Ich habe in den letzten paar Tagen alle Eckdaten gesammelt, die ich mithilfe meines Assistenten finden konnte. Einen Teil Ihrer Personalakte oder angeblichen Personalakte habe ich der Political Stabilization Unit abgeluchst.« Er reichte Ambler einen Stapel zusammengehefteter Blätter.
    Ambler sah sie flüchtig durch. Es war ein seltsames Gefühl, auf diesen Seiten in trockener, gekürzter Form die Früchte seines Schweißes, seines Blutes und seiner Tränen zu finden. Es deprimierte ihn. Seine Karriere hatte, wie so viele andere, nicht in der Öffentlichkeit stattgefunden. Er hatte kein Profil, und seine absolute Unbekanntheit sollte durch den geheimen Heroismus seiner Taten aufgewogen werden. Das war das Versprechen, das Abkommen, das er geschlossen hatte: Deine Taten werden zwar verborgen bleiben, aber den Lauf der Geschichte verändern. Deine Hand wird im Verborgenen die Fäden ziehen.
    Aber wenn das alles nur Illusion gewesen war? Was wäre, wenn sein geheimes Leben – das ihn dazu gezwungen hatte, alle Bindungen zu opfern, die den meisten Menschenleben
erst Bedeutung verliehen – keine wirklichen, dauernden Konsequenzen gehabt hatte? Oder womöglich negative?
    Caston suchte seinen Blick. »Konzentrieren Sie sich, okay? Wenn Sie etwas sehen, das gefälscht worden ist, sagen Sie es mir.«
    Ambler nickte.
    »Ich erkenne allmählich ein Profil. Sie verfügen über herausragende Fähigkeiten im Bereich der affektiven Inferenz. Mit anderen Worten, Sie sind ein wandelnder Lügendetektor. Was Sie auf Einsätzen zu einer unschätzbaren Waffe macht. Das Stab-Team rekrutierte Sie schon bald nach Ihrem Einstieg bei Cons Ops. Sie sind an vorderster Front dabei. Erfüllen die Aufträge, die das Team besonders gern übernimmt.« Er gab sich keine Mühe, seinen Abscheu zu verbergen. »Dann haben wir hier den Einsatz in Changhua. Erfolgreich ausgeführt, wie die Akte bestätigt. Und dann verschwinden Sie urplötzlich von der Bildfläche. Warum? Was ist da passiert?«
    Ambler erklärte ihm kurz, was er in Taiwan getan hatte. Dabei sah er Caston voll ins Gesicht.
    Der Revisor schwieg eine Zeit lang. Dann leuchteten seine Augen auf. »Sagen Sie mir genau, was an dem Abend passiert ist, an dem man Sie eingewiesen hat. Alles, was gesagt wurde. Alles – auch alle Personen – woran Sie sich erinnern.«
    »Es tut mir leid, aber ich ...« Ambler verstummte. »Es ist einfach weg. Laurel sagt, das liegt an einer durch Medikamente ausgelösten retrograden Amnesie.«
    »Es muss aber noch irgendwo in Ihrem Kopf sein«, sagte Caston. »Oder nicht?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Ambler. »Mein ganzes Leben ist da, aber dann zerfasert alles für eine Weile im Nichts.«
    »Ein Filmriss.«

    »Von beachtlicher Dauer, ja.«
    »Vielleicht strengen Sie sich nicht genügend an«, grummelte Caston.
    »Verdammt, Caston. Ich habe zwei Jahre meines Lebens verloren. Zwei Jahre voller Gehirnwäsche. Zwei Jahre voller Einsamkeit. Zwei Jahre voller Hoffnungslosigkeit.«
    Caston blinzelte. »Das wären dann ja sechs Jahre.«
    »Falls Sie jemals erwägen sollten, einen Pflegeberuf zu ergreifen, möchte ich Ihnen dringend davon abraten, Caston. Sie haben keine Ahnung, was ich durchgemacht habe ...«
    »Sie doch auch nicht. Und genau das will ich ja herausfinden. Also winseln Sie jemand anders voll, der Lust hat, Mitleid zu heucheln.«
    »Sie verstehen mich nicht. Ich versuche zurückzudenken und finde nichts. Nichts, okay? Nur Schnee auf dem Bildschirm. Bildstörung.« Mit einem Mal übermannte ihn Erschöpfung. Er war so müde. Zu müde zum Reden. Zu müde zum Denken.
    Er ging zum Bett, legte sich hin und starrte verzweifelt an die Decke.
    Caston schnaubte verächtlich. »Vergessen Sie das Bild. Konzentrieren Sie sich auf die Kleinigkeiten. Wie sind Sie aus Taiwan zurückgekehrt?«
    »Keine Ahnung.«
    »Mit welchem Fortbewegungsmittel?«
    »Verdammt noch mal, ich habe Ihnen doch gesagt, ich weiß es nicht !«,

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