Ambler-Warnung
explodierte Ambler.
Caston wirkte ungerührt, als seien ihm Amblers Gefühle, die Qualen, die seine bohrenden Fragen auslösten, vollkommen egal. »Sind Sie geschwommen? Mit dem Dampfer gefahren?«
Amblers Kopf pochte vor Schmerzen. Er kämpfte darum, sich unter Kontrolle zu halten und seinen Atem zu beruhigen.
»Lecken Sie mich am Arsch«, sagte er ruhiger. »Haben Sie mir nicht zugehört?«
»Mit welchem Fortbewegungsmittel?«, wiederholte Caston. In seiner Stimme lag kein Funken Mitgefühl, nur Ungeduld.
»Ich muss ein Flugzeug genommen haben.«
»Also wissen Sie doch etwas, Sie Jammerlappen. Wo sind Sie abgeflogen?«
Ambler zuckte mit den Achseln. »Wahrscheinlich vom Chiang Kai-shek Airport bei Taipeh.«
»Mit welcher Fluggesellschaft?«
»Ich weiß es ni ...« Er blinzelte. »Cathay Pacific«, hörte er sich sagen.
»Ein Linienflug also.« Caston wirkte nicht überrascht. »Ein zwölfstündiger Linienflug. Hatten Sie an Bord einen Drink?«
»Bestimmt.«
»Was haben Sie getrunken.«
»Wild Turkey, wie immer.«
Caston griff zum Telefon und wählte den Zimmerservice. Fünf Minuten später stand eine Flasche Wild Turkey im Zimmer.
Er schenkte drei Finger breit Whiskey in einen Tumbler und reichte ihn Ambler. »Entspannen Sie sich, trinken Sie einen«, sagte er steif. Er hatte die Brauen zusammengekniffen, und das Angebot war eigentlich als Befehl gemeint. Der Revisor hatte sich in einen Barkeeper aus der Hölle verwandelt.
»Ich trinke nicht«, protestierte Ambler.
»Seit wann?«
»Seit ...« Ambler verstummte unsicher.
»Seit Parrish Island. Aber früher haben Sie Alkohol getrunken, und das werden Sie jetzt wieder tun. Also ex und hopp!«
»Was soll denn das?«
»Ein wissenschaftliches Experiment. Trinken Sie einfach.«
Ambler kippte den Bourbon, der ihm mit einem leichten Brennen durch die Kehle rann. Er spürte keinerlei Hochgefühl, nur Schwindel, Verwirrung und leichte Übelkeit.
Caston schenkte ihm einen weiteren Drink ein, und Ambler trank ihn in einem Zug.
»Zu welcher Tageszeit kam das Flugzeug an?«, fragte der Revisor. »Abends oder morgens?«
»Morgens.« Vor lauter Unbehagen verkrampften sich seine Eingeweide. Dieses Wissen erreichte ihn aus einer unbekannten Dimension. Er hatte keine Macht über die Erinnerungen, er konnte sie nicht rufen. Aber irgendetwas hatte sie gerufen, und jetzt waren sie wieder da.
»Haben Sie dem OIC einen Lagebericht geliefert?«
Ambler gefror innerlich. Das musste er getan haben.
»Nächste Frage«, fuhr Caston unbarmherzig fort. Es war, als arbeite er sich durch ein riesiges Inventar winziger Fragen wie ein Vogel, der mit dem Schnabel einen Berg abtragen will. »Wer ist Transience?«
Ambler kam es vor, als beginne das Zimmer sich zu drehen, und als er die Augen schloss, drehte sich alles nur noch schneller. Er schwieg sehr lange. Wie ein Schuss in den Alpen erschütterte die Frage eine kleine Schneewehe, die zu einer Lawine anwuchs und donnernd ins Tal brauste. Schwärze umfing ihn.
Und dann leuchtete in dieser Schwärze ein winziges Licht auf.
Kapitel dreiundzwanzig
Wieder war er in Changhua, in einer Vergangenheit, die seine Gegenwart überschattete. In verschwommenen, hektisch auf ihn einstürmenden Bildern wurden ihm seine maßlosen Aktivitäten, sein Rachefeldzug quer durch die Insel bewusst. Seine Befürchtungen hatten sich bewahrheitet.
Dann folgten flüchtige Bilder aus einem Flugzeug. Die Flugbegleiterin von Cathay Pacific war eine moderne Geisha: ein Wink genügte, damit sie ihm Bourbon einschenkte und dafür sorgte, dass seine Kehle nie lange trocken blieb. Der Taxifahrer am Flughafen Dulles war ein Einwanderer aus Trinidad mit eingefallenen Wangen und der Überzeugung, dass er allein den schnellsten Weg in die Stadt kannte. Amblers Apartment in den Baskerton Towers, das ihm an jenem Tag so klein und steril vorkam. Nur ein Ort, an dem er duschen, die Kleidung wechseln und sich auf die Schlacht vorbereiten konnte.
Die Schlacht.
Welche Schlacht? Wieder senkte sich Nebel über seine Erinnerungen, sie wurden trübe, undeutlich. Aber Ambler – nein, Tarquin – er war damals Tarquin – wurde von starken Emotionen aufgewühlt. Wenn Ambler nur diese Emotionen wachrufen könnte, dann würden auch die Erinnerungen greifbar werden, die sie begleiteten. Das Gefühl war eine besonders brisante Mischung: teilweise Schuldgefühl, hauptsächlich Wut.
Der Nebel hob sich auf. Gebäude und Menschen erschienen vor seinem geistigen Auge,
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