Ambler-Warnung
wirklich ein Übel, nicht wahr?«
»Tja«, sagte sie zweifelnd. »Hören Sie, ich kümmere mich darum ...«
»Sie sind meine Retterin, Caitlin«, sagte Adrian. »Und das meine ich todernst.«
Burton Lasker blickte erneut auf die Uhr und tigerte durch die Lounge der Air France. Fenton kam sonst nie zu spät. Aber das Boarding hatte schon begonnen, und er war immer noch nicht eingetroffen. Lasker erkundigte sich bei den Servicekräften am Gate. Sie erwiderten seinen fragenden Blick mit einem einfachen Kopfschütteln, er hatte sie schon zweioder dreimal gefragt, ob Fenton aufgetaucht sei. Arger stieg in Lasker auf. Es gab unzählige Gründe dafür, dass sich ein Reisender verspätete, aber Fenton war ein Mensch, der sich auf solche Eventualitäten und Unannehmlichkeiten gut vorbereitete. Er wusste, was im Leben alles schiefgehen konnte, und ließ es normalerweise nicht drauf ankommen. Wo war er also jetzt? Warum ging er nicht an sein Mobiltelefon?
Lasker arbeitete seit zehn Jahren für Fenton und war in den letzten Jahren zu dessen treuestem Leutnant aufgestiegen. Jeder Visionär brauchte einen Mann, der sich ausschließlich
auf die Ausführung – die Verwirklichung – seiner Visionen konzentrierte. Und darin war Lasker ausgezeichnet. Er war ein Veteran der Special Forces, aber er spürte nicht die übliche Verachtung des Soldaten für einen zivilen Vorgesetzten. Fenton war ein Mäzen, seine Schützlinge waren eben Agenten und nicht Künstler. Und ein wahrer Visionär. Er hatte begriffen, dass nur eine Partnerschaft zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor Amerika zu einer Speerspitze geheimdienstlicher Aktivitäten machen konnte. Fenton wiederum respektierte Lasker wegen seiner Nahkampf- und Einsatzerfahrung und schätzte die Kenntnisse, die er sich in der Ausbildung einer Anti-Terroreinheit erworben hatte. Für Lasker waren die Jahre, die er mit Fenton verbracht hatte, die wertvollste und erfüllteste Zeit seines Lebens gewesen.
Wo blieb der Mann? Als die Servicekräfte mit entschuldigendem Achselzucken die Türen des Gates schlossen, lief es Lasker kalt über den Rücken. Da war etwas passiert. Er rief an der Rezeption des Hotels an, in dem er und Fenton gewohnt hatten. »Nein, Monsieur Fenton hat noch nicht ausgecheckt.« Es musste etwas passiert sein. Und zwar etwas Schlimmes.
Ein paar Minuten später als verabredet stieß Laurel Holland schließlich zu den beiden Männern im immer noch verlassenen vierten Stock des Musee Armandier. Ihre Erledigungen hätten ein bisschen länger gedauert, entschuldigte sie sich.
»Sie müssen Caston Clayton sein«, sagte sie zu dem Buchprüfer und reichte ihm die Hand. Ihre Haltung und ihre Worte wirkten ein wenig förmlich. Sie schien immer noch vor dem, was er als hochrangiger CIA-Beamter repräsentierte, Angst zu haben. Aber gleichzeitig vertraute sie Amblers Urteil
vollkommen. Er hatte sich entschieden, mit Caston zusammenzuarbeiten, und sie würde sich anschließen. Ambler konnte nur hoffen, dass er keinen Fehler gemacht hatte.
»Nennen Sie mich Clay«, sagte der Buchprüfer. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Laurel.«
»Hal sagte, Sie seien zum ersten Mal in Frankreich. Ich auch! Unglaublich, nicht wahr?«
»Zum ersten, und wenn ich Glück habe, auch zum letzten Mal«, grummelte Caston. »Ich hasse dieses Land. Gestern habe ich im Hotel den Hahn mit dem C aufgedreht und mir beinahe den Rücken verbrüht. Ich schwöre Ihnen, ich konnte fünfzig Millionen Franzosen lachen hören.«
»Fünfzig Millionen Franzosen können nicht irren«, erwiderte Laurel ernst. »So sagt man doch?«
»Fünfzig Millionen Franzosen können sich auf fünfzig Millionen Arten irren«, sagte Caston mit tadelndem Blick.
»Aber wer zählt schon mit?«, fragte Ambler leichthin und scannte die Gesichter der wenigen Fußgänger vor dem Museum. Dann warf er einen Blick auf die Zeitung, die Laurel zur Tarnung mitgebracht hatte. Le Monde Diplomatique. Der Leitartikel stammte von einem gewissen Bertrand Louis-Cohn, offenbar einem wichtigen Intellektuellen. Ambler überflog ihn kurz: Er schwadronierte über eine Konferenz auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos, hatte aber außer verquastem Geschwafel und Gemeinplätzen über den augenblicklichen Zustand der Weltwirtschaft nichts zu bieten. Gedöns über »la pensée unique« , die, wie Louis-Cohn schrieb, von ihren Kritikern als »la projection idéologique des intérêts financiers de la capitale mondiale« – die
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