Ambler-Warnung
Streichen.
Eines Morgens Ende Oktober – sie waren im zweiten Studienjahr gewesen – entdeckten die Campusbewohner am frühen Morgen, dass ein riesiger Kürbis auf der Spitze des McIntyre-Turmes steckte. Der Kürbis musste an die siebzig Pfund gewogen haben, und wie er dort hinaufgelangt war, blieb allen ein Rätsel. Die Studenten amüsierten sich köstlich, die Universitätsverwaltung war eher konsterniert, denn kein Hausmeister hatte die Absicht, Kopf und Kragen zu riskieren, um den Kürbis vom Turm zu holen. Also blieb er oben, bis er von selbst herunterfallen würde. Am folgenden Morgen waren am Fuß des Turms viele kleine Kürbislaternen angeordnet, und zwar so, als blickten sie zu dem großen Kürbis hinauf. In einigen steckten Schilder mit der Aufschrift
SPRING! Das Entzücken der jungen Studenten erzürnte die College-Verwaltung nur noch mehr. Zwei Jahre danach hatten sich die Verwaltungsbeamten allmählich abgeregt, und ein paar Monate vor dem Abschlussexamen machte schließlich das Gerücht die Runde, die Studenten hätten Dylan – einem versierten Freikletterer mit Profiausrüstung –, die ganze Gaudi zu verdanken. Sutcliffe war zwar ein Scherzkeks, aber sehr umsichtig: Er gab den Streich nie direkt zu und wusste es sehr zu schätzen, dass auch Ambler dichthielt. Denn Ambler, dem Sutcliffes Gesichtsausdruck aufgefallen war, als über den Streich geredet wurde, hatte gleich erraten, dass er dahintersteckte. Er informierte Sutcliffe zwar darüber, dass er ihn durchschaut hatte, aber er behielt sein Wissen für sich.
Ambler erinnerte sich noch genau an die Charlie-Brown-Hemden mit den breiten, bunten Querstreifen, die Sutcliffe so gern getragen hatte. Und an seine Sammlung von Tonpfeifen, die zwar nur selten benutzt wurden, aber viel interessanter waren als die üblichen Bierdeckelsammlungen der anderen Studenten. Er erinnerte sich noch an Sutcliffes Hochzeit, bei der er nur ein Jahr nach dem Abschluss gewesen war. Er wusste, dass er jetzt einen guten Job bei einer lokalen Bank in Providence hatte, die früher einmal unabhängig gewesen war, aber jetzt einem Konzern gehörte.
»Dylan Sutcliffe am Apparat«, meldete sich eine Stimme. Ambler erkannte sie zwar nicht gleich, wurde aber trotzdem sofort von einem Gefühl der Wärme durchflutet.
»Dylan!«, rief Ambler. »Hier spricht Hal Ambler. Erinnerst du dich an mich?«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. »Entschuldigung«, sagte der Mann dann in verwirrtem Ton. »Ich glaube, ich habe Ihren Namen nicht verstanden.«
»Hal Ambler. Wir waren vor zwanzig Jahren zusammen in Carlyle. Im ersten Jahr haben wir uns ein Zimmer geteilt. Ich war bei deiner Hochzeit. Kommt es jetzt wieder? Wir haben schon viel zu lange keinen Drink mehr miteinander genommen.«
»Hören Sie, ich kaufe am Telefon nichts von Fremden«, sagte der Mann barsch. »Ziehen Sie Ihre Masche bei jemand anders ab.«
War das vielleicht der falsche Dylan Sutcliffe? Er klang überhaupt nicht wie der alte Freund, an den er sich erinnerte. »Nur die Ruhe«, sagte Ambler. »Vielleicht verwechsle ich Sie ja. Dann haben Sie also nicht in Carlyle studiert?«
»Doch. Aber in meinem Jahrgang gab es keinen Hal Ambler.« Ein Klicken. Der Mann hatte aufgelegt.
In Ambler tobte eine Mischung aus Arger und Angst. Als Nächstes rief er beim Carlyle College an und ließ sich mit dem Registrator verbinden. Ein junger Mann meldete sich. Ambler erklärte ihm, er arbeite für die Personalabteilung eines großen Konzerns und bearbeite gerade die Bewerbung eines gewissen Harrison Ambler. Den Vorschriften entsprechend überprüfe er gerade einige Angaben aus dem Lebenslauf des Bewerbers. Ob der Mann bestätigen könne, dass Harrison Ambler wirklich am Carlyle College seinen Abschluss gemacht habe?
»Kein Problem, Sir«, sagte der Registrator. Er fragte, wie der Name geschrieben wurde, und tippte ihn ein. Ambler hörte Geklapper auf einer Tastatur. »Entschuldigung«, sagte der Mann. »Wie schreibt sich der Name genau?«
Mit wachsendem Unbehagen buchstabierte Ambler seinen Namen.
»Gut, dass Sie angerufen haben«, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung.
»Er hat keinen Abschluss gemacht?«
»Niemand dieses Namens war jemals hier eingeschrieben oder wurde hier examiniert.«
»Kann es sein, dass Ihre Datenbank nicht weit genug zurückreicht?«
»Nee. Wir sind ein wirklich kleines College, also haben wir dieses Problem nicht. Glauben Sie mir, Sir, wenn dieser Kerl irgendwann im Lauf
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