Ambler-Warnung
Alleingang den Frieden und die Stabilität in Bosnien gesichert. Glauben Sie, die Blauhelme hätten das geschafft? Von wegen. Es war MPRI. Der vom Verteidigungsministerium abgestellte Spezialberater für die Kroatisch-Bosnische Föderation geht eines Tages in Rente. Schon am nächsten Tag arbeitet er wieder auf dem Balkan, aber im Auftrag von MPRI. Wir schreiben das Jahr 1995, und urplötzlich treten die Kroaten den Serben kräftig in den Arsch. Wie ist das passiert? Woher weiß dieser zusammengewürfelte Haufen uniformierter Flaschen plötzlich, wie man gegen serbische Stellungen Angriffe wie aus dem Lehrbuch führt? Riechen Sie den Braten? MPRI. Und das zwang die Serben schließlich an den Verhandlungstisch, nicht allein die Luftangriffe der NATO. Es geht nicht darum, den Krieg zu privatisieren, sondern den Frieden, comprende? Das sind Männer aus dem privaten Sektor, die für das Allgemeinwohl arbeiten.«
»Ich glaube, früher nannte man solche Männer Söldner.«
»Genau! Das hat Tradition. Verdammt, als Ramses II. gegen die Hethiter kämpfte, holte er sich numidische Militärberater. Und Xenophons Zug der Zehntausend bestand hauptsächlich aus pensionierten griechischen Soldaten, die bei ihm anheuerten, um die Perser in den Arsch zu treten. Sogar im Peloponnesischen Krieg verließ man sich ziemlich stark auf die Phönizier.«
»Reden Sie hier ernsthaft von Outsourcing?«
»Verzeihen Sie einem alten Experten der Kriegskunst seine gelehrte Geschwätzigkeit. Aber wenn man sowohl an den freien Markt als auch an Sicherheit glaubt, muss man doch versuchen, beides miteinander zu kombinieren, oder?«
Mit einem Achselzucken antwortete Ambler: »Ich habe kapiert, dass die Nachfrage groß ist. Aber was genau ist das Angebot?«
»Haben Sie sich mal gefragt, warum man nicht mehr von >Friedensdividende<, sondern von >Friedens-Defizit< spricht? Die amerikanischen Streitkräfte haben heute ein Drittel weniger Soldaten als während des Kalten Krieges. Eine gewaltige Demobilisierungswelle ging über die Welt hinweg, besonders über Südafrika und Großbritannien. Ganze Regimenter wurden ohne Skrupel aus dem Dienst entlassen. Und was bleibt uns noch? Die UNO? Die UNO ist ein Witz. Sie erinnert mich an einen mittelalterlichen Papst: viele päpstliche Bullen und Dekrete, wenig Piken.«
»Also stellen Sie eine Veteranenarmee auf.«
»Die Sache ist komplizierter, mein Sohn. Ich arbeite nicht mehr im Militärsektor – dieser Markt ist mir inzwischen ein bisschen zu heiß umkämpft. Paul Fenton will das Gefühl haben, etwas Einzigartiges zu bieten.«
»Und hat das geklappt?«
»Na klar. SSG konkurriert nicht mit den PMFs. Sie ersetzen die Armee. Wir ersetzen den Geheimdienst. Genial, oder? Spionage statt Scharmützel. Und wir übernehmen definitiv den wichtigeren Part. Wir beschäftigen Agenten. Nennen Sie uns von mir aus Consular Operations Incorporated.«
»Sie vermieten Spione.«
»Ich verrichte Gottes Werk, Tarquin. Wir machen Amerika so stark, wie es seiner Bestimmung nach sein sollte.«
»Sie arbeiten also gleichzeitig für und gegen die US-Regierung.«
»Wir setzen da an, wo Amerika versagt hat.« Fentons Augen blitzten. Augen, die auf den ersten Blick seltsam farblos wirkten. Erst bei näherem Hinsehen begriff Ambler, dass ein Auge grau und das andere grün war. »Wie gesagt, die Bürokraten in Fort Meade, Langley und Foggy Bottom schimpfen gern über mich. Aber im tiefsten Inneren sind sie froh darüber, dass es mich und meine Arbeit gibt.«
»So tief müssen Sie wahrscheinlich nicht bei allen graben. Sie haben offenbar einen guten Draht zu ein paar ziemlich hochrangigen Beamten.« Und diese hochrangigen Beamten dürften wissen, was mir angetan wurde. Und den Grund dafür kennen.
»Absolut richtig. Beamte, die mir aktiv Aufträge erteilen. Geheimdiensttätigkeiten werden an Strategic Services übergeben. Outsourcing.«
»Volles Aroma bei null Kalorien«, sagte Ambler. Er musste den Ekel unterdrücken, der ihm die Kehle zuschnürte. Fanatiker wie Paul Fenton waren umso gefährlicher, weil sie sich selbst für Helden hielten. Mit ihrer hochtrabenden Rhetorik rechtfertigten sie jede Art von Unmenschlichkeit, und die meisten verloren bald das Gefühl für den Unterschied zwischen Eigeninteresse und dem Allgemeinwohl, dem sie sich so vehement verschrieben hatten. Sie finanzierten ihre Konzerne aus öffentlichen Mitteln und predigten gleichzeitig Privatisierung. Wahre Gläubige wie Fenton stellten sich über die
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