Ambler-Warnung
klar sein. Also müsste es doch kein
Problem sein, den Gelbe-Seiten-Eintrag für Tarquin zu finden, oder? Aber ich habe gar nichts gefunden. Weil Sie ein Zauberer sind.« Das beinahe ehrfürchtige Staunen in seiner Stimme war echt. »Und das macht Sie natürlich als Agent umso wertvoller. Falls Sie geschnappt werden sollten – was natürlich nicht passieren wird, aber nur mal hypothetisch -, sind Sie nur eine Leerstelle. Ein Rauchring. Ein Stäubchen im Auge. Einmal zwinkern und weg sind Sie. Ich präsentiere Ihnen den Mann, den es nicht gab. Es gäbe überhaupt keine Möglichkeit, Sie mit irgendjemandem in Verbindung zu bringen. Einfach genial!«
Ambler schwieg, er wollte Fenton seine Illusionen nicht nehmen. Fenton war beileibe kein kleiner Fisch. Ich habe viele Kontakte. Das war wahrscheinlich die Untertreibung des Jahres.
»Aber ein guter Zauberer kann Dinge auch wieder herbeizaubern«, sagte Ambler vorsichtig. Er drehte den Kopf und blickte nach draußen. Einkäufer liefen geräuschlos vorbei und nahmen keine Notiz von ihnen. Er konnte Fenton benutzen – aber benutzte ihn bereits jemand anders? Wenn der Abholdienst von dem Treffen Wind bekommen hatte ...? Aber bis jetzt gab es keine Anzeichen dafür.
»Und das haben Sie bereits getan – schließlich sind Sie hier! Wissen Sie überhaupt, was für einen Wert Sie für mich haben? Ihre ehemaligen Kollegen schwören, Sie seien quasi ein Gedankenleser. Und obendrein existieren Sie offiziell nicht!«
»Vielleicht fühle ich mich deshalb innerlich so leer«, sagte Ambler trocken.
»Ich will nur die Besten«, sagte Fenton. »Ich habe keine Ahnung, womit Sie sich so viel Arger eingehandelt haben. Ich weiß nicht, in welchem Schlamassel Sie gesteckt haben. Und es ist mir auch egal.«
»Schwer zu glauben.« Aber Ambler glaubte ihm.
»Sehen Sie, Tarquin, ich umgebe mich gern mit Menschen, die auf ihrem Gebiet absolute Spitze sind. Und Sie mein Freund, sprengen den Rahmen. Ich weiß nicht, wie Sie es geschafft haben, aber Sie sind ein Mann nach meinem Geschmack.«
»Weil ich mich Ihrer Meinung nach nicht an Regeln halte?«
»Ganz genau. Wahre Größe zeigt sich darin, die Regeln zu brechen, wenn es nötig ist. Und zu wissen, wie man es anstellen muss.«
»Klingt, als ob Sie das >Dreckige Dutzend< eingestellt hätten.«
»Wir sind viel größer als die. Sie haben sicher von der Strategic Services Group gehört?«
Ambler nickte. Folge Ariadnes Faden – finde heraus, wohin er führt. Die SSG arbeitete neben McKinsey, Bain, Accenture und einem Dutzend weiterer Firmen im Management-Consulting und bot Amblers Meinung nach Pseudolösungen für Pseudoprobleme an. Er erinnerte sich, an großen Flughäfen gelegentlich die Werbung gesehen zu haben. Die Initialen SSG in großen Lettern, darunter in kleinerer Schrift Strategic Services Group. Quer über das Bild einer Gruppe verwirrt dreinblickender Managertypen stand der Slogan RICHTIGE ANTWORTEN BEKOMMT NUR, WER DIE RICHTIGEN FRAGEN STELLT.
»Freut mich, das zu hören. Ich glaube nämlich, dass Sie in dieser Firma eine große Zukunft vor sich haben.«
»Ich habe nicht sonderlich viel Talent für Betriebswirtschaft.«
»Lassen Sie uns Klartext reden. Wir befinden uns hier in einem schallisolierten Raum. Der Faradaykäfig und das Radiowellen-Abfangsystem
garantieren uns, dass dieses Gespräch privat bleibt. Nicht mal auf dem Mond wären wir ungestörter.«
»Aber hier ist die Luft besser.«
Fenton nickte ungeduldig. »SSG ist genau wie dieser Laden. Wir bieten ganz öffentlich unsere Dienste an, existieren aber aus einem anderen Grund. Vielleicht hat Osiris es Ihnen schon erklärt. Sehen Sie, meine Aufgabe ist es, die Show am Laufen zu halten. Deshalb nennt man mich auch den Showrunner.«
»Und welche Show?«
»Was ist denn eine internationale Management-Consulting-Firma überhaupt? Ein paar Leute in Anzug und Krawatte, die um die ganze Welt reisen und fleißig Bonusmeilen sammeln. Auf jedem großen Flughafen wimmelt es von solchen Typen. Jeder Zoll- oder Grenzbeamte erkennt einen Business-Consultant aus einem Kilometer Entfernung: Das sind Profis, die gelernt haben, in einem Flugzeug zu leben. Erinnern Sie sich an den >kleinen Unterschied<, den wir auf den Werbeplakaten für die SSG betonen?«
»Sie stellen die richtigen Fragen, anstatt nur die richtigen Antworten zu liefern.« Ambler variierte den Werbeslogan.
»Der eigentliche Unterschied besteht darin, dass unser Kernteam aus ehemaligen Geheimagenten
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