Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
Vom Netzwerk:
lassen und für jeden Dollar, den er ausgibt, spezielle Anträge stellen. Jeder untere Angestellte, der irgendwie auf die Ressourcen der Behörde zugreifen will, muss ein Antragsformular ausfüllen. Damit hinterlässt er zwangsläufig eine Aktenspur. Je höher der Dienstrang, desto weniger Spuren hinterlässt man, weil man auf entsprechend mehr Ressourcen freien Zugriff hat. Ich will dir damit sagen, dass das Fehlen jeglicher Unregelmäßigkeiten darauf hindeutet, dass jemand von ganz oben die Sache autorisiert hat. Niemand fährt nach Parrish Island und liefert sich selbst ein. Freundliche Männer in weißen Laborkitteln bringen einen dort hin. Das bedeutet, man braucht Fahrzeuge, muss vielleicht Überstunden bezahlen, und so weiter. Und danach habe ich gesucht. Aber ich habe nichts gefunden.«
    »Wie weit oben?«
    »Mindestens Level E17«, sagte Caston. »Jemand auf deiner Stufe oder noch weiter oben.«
    »Na, das sollte das Feld doch überschaubar machen.«
    »Tatsächlich? Ist der Regierungsapparat geschrumpft, während ich auf dem Klo war?«
    »Hmpf. Das erinnert mich daran, wie du damals den Typen vom Directorate of Operations erwischt hast, der heimlich nach Algerien geflogen war. Hatte falsche Papiere benutzt
und seine Spuren eigentlich perfekt verwischt. Für uns sah alles so aus, als habe er eine Woche Urlaub beim Angeln in den Adirondacks gemacht. Ich finde es toll, wie du ihm auf die Schliche gekommen bist: dadurch, dass auf der Toilette neben seinem Büro auf einmal viel mehr Klopapier verbraucht wurde als sonst.«
    »Komm schon, so schwer war das nicht. Er verbrauchte eine ganze Rolle pro Tag.«
    »Reisedurchfall, hast du dir gedacht. Giardiasis, hast du gesagt: ein in Algerien häufig vorkommender Dünndarmparasit. Und zwei Tage später hatten wir ein Geständnis. Mann, der Typ war völlig von der ... Rolle.« Der haarige Verwaltungsbeamte kicherte leise. »Und was ist mit der Personalakte unseres Ausbrecherkönigs? Gibt es was Neues?«
    »Nicht besonders viel.«
    »Wir müssen ihn nämlich irgendwie ködern, um an ihn ranzukommen.«
    »Das wird leider schwierig werden«, sagte Caston. »Wir haben es bei dem Kerl nicht mit dem Standardkaliber zu tun. Es gibt ein Detail, das ich ziemlich bedeutsam finde. Offenbar wollte bei Einsätzen niemand mit dem Kerl Karten spielen.«
    »Falschspieler?« Caleb Norris löste seine Krawatte und ließ sie locker herunterhängen, als sei er der Chefredakteur einer Boulevardzeitung. Schwarzes Haar kräuselte sich über seinem offenen Hemdkragen.
    Caston schüttelte den Kopf. »Nein. Er ist offenbar ein Menschenkenner. Er sieht es, wenn einer blufft.«
    Norris kniff die Augen zusammen. »Ein Menschenkenner? Und was soll daran so interessant sein?«
    »Kein gewöhnlicher Menschenkenner. Er durchschaut Menschen vollkommen und liest in ihnen wie in einem offenen
Buch. Du solltest dem Kerl aus dem Weg gehen, wenn du etwas zu verbergen hast.«
    »Also ein menschlicher Lügendetektor. Na, das hätte ich auch gern.«
    »Nach Ansicht der Leute, mit denen ich geredet habe, weiß Tarquin selbst nicht genau, wie er das macht. Aber in letzter Zeit wurde auf dem Gebiet viel geforscht, was mich nicht überrascht.«
    »Und? Wie macht er’s?«
    »Es sind viele Variablen im Spiel. Aber die Studien deuten darauf hin, dass Menschen wie Tarquin besonders sensibel auf >Mikroexpressionen< reagieren – auf Regungen im menschlichen Gesicht, die höchstens dreißig Millisekunden dauern. Mimische Nuancen, die die meisten Menschen nie bemerken würden. Spezialisten sprechen von Leakage oder Emblems, undichten Stellen. Offenbar dringen unterdrückte Emotionen auf die unterschiedlichste Weise an die Oberfläche, aber die meisten Informationen, die uns die menschliche Mimik liefert, blenden wir gewöhnlichen Menschen einfach aus. Wahrscheinlich würden wir sonst keinen einzigen Tag überstehen.«
    »Ich verstehe nur Bahnhof, Clay.« Norris legte die Beine auf den ramponierten Couchtisch. Caston vermutete, dass der Tisch neu gewesen war, als ihn das Department of Office Supplies & Services geliefert hatte. Das gesamte Mobiliar in Norris’ Büro wirkte ziemlich ramponiert und abgenutzt. Allein durch das Alter der Möbel ließ sich das nicht erklären.
    »Ich habe das auch gerade erst recherchiert. Offenbar haben einige Psychologen aber genauer nachgeforscht. Wenn man jemanden beim Reden auf Video aufnimmt und sich das Ganze dann in Zeitlupe Bild für Bild ansieht, passt manchmal für einen kurzen

Weitere Kostenlose Bücher