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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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zusammen mit ein paar Wasserpflanzen und Krebsen aus dem Fluss geborgen – wie er ertrunken war, würde für immer das Geheimnis des Wassermanns bleiben –, nahm Kazimierz sich vor, alles zu verkaufen, was er besaß, und mit seiner Frau für immer fortzugehen aus dem Dorf. Seine Mutter hatte sich geweigert, das Land zu verlassen, und war zu ihrer Schwester ein paar Dörfer weiter gezogen.
    Kaum war Kazimierz mit seiner Frau Magda und seinem kleinen Sohn Konrad durch die Tore in die Stadt eingefahren, hatte ihn ein Kopfschmerz gepackt, der ihn beinahe zu Boden gedrückt hatte. Die Straßen waren voller Menschen gewesen, und über allem schien eine Art Rauschen gelegen zu haben, aus dem immer wieder einzelne Worte und Sätze zu Kazimierz vorgedrungen waren. Als er Magda gefragt hatte, ob sie das auch hören würde, hatte sie bloß mit den Schultern gezuckt und gefragt, ob er die Kirchenglocken meine oder das Getrappel der Pferdehufe auf den Pflastersteinen, sonst nämlich würde sie gar nichts hören. Aber Kazimierz hatte weder das eine noch das andere gemeint.
    In den drei Tagen, in denen der Kopfschmerz andauerte, hatte sich Kazimierz geweigert, das Bett zu verlassen. Er hatte Magda darum gebeten, dicke Decken vor die Fenster der gemieteten Wohnung zu hängen und ihm Lindenblütentee zu kochen. Dann erst, nach drei Tagen, war er aufgestanden und für mehrere Tage in seiner Werkstatt unter der Wohnung verschwunden.
    Die Sonne brach durch und schien hinab auf die alten Befestigungen der Stadt. Die Häuser standen hier so eng, als wollten sie einander vor den Winden schützen, die manchmal von der Ostsee her kamen und an den Fensterläden rüttelten. Sie waren vier, fünf Stockwerke hoch, mit Hinterhöfen voller Schotter, auf denen ein paar junge Fliederbüsche und Kastanien wuchsen. Aus den geöffneten Fenstern flatterte Wäsche, allerorts spielten Kinder, ein Schäferhund streunte umher und warf einen zaghaften Blick durch die offene Tür in Kazimierz’ Werkstatt. Es war ein großes Glück gewesen, dass er die unteren Räumlichkeiten zu einem günstigen Preis zusammen mit der Wohnung darüber hatte mieten können; dem Vormieter, so viel hatte er aus den Nachbarn herausbekommen, war etwas Eigenartiges widerfahren, aber was genau geschehen war, hatte ihm niemand erzählen wollen – Tatsache war, dass die Werkstatt seit längerer Zeit leer gestanden haben musste, denn als Kazimierz sie zum ersten Mal betreten hatte, waren die Werkbänke und das bisschen Zeug, das noch an den Wänden hing und nicht geklaut worden war, von einer dichten Lage Spinnweben bedeckt gewesen.
    Kazimierz stemmte die Arme in die Seiten und ließ seinen Kopf kreisen. Es knackte in seinem Nacken. Er schloss seine Augen und massierte die Muskelstränge,die an den Seiten hinab zu seinen Schultern verliefen.
    Nie würde er es jemandem gestehen, schon gar nicht seiner Frau Magda, aber seitdem sie in der Stadt wohnten, fühlte er sich, als hätte er schon zehn Leben hinter sich. Wenn Magda ihn auf seine Gereiztheit oder seine Schlaflosigkeit ansprach, dann erzählte er, es sei das Geschäft, das ihn umtreibe, und sie glaubte ihm. Obwohl sie sich sehr über sein Verhalten wunderte, hinterfragte sie es nicht einmal, als Kazimierz sie in der Stadt als Magda und Kasimir Mischa vorstellte und es plötzlich vorzog, Deutsch zu sprechen. Wie sollte sie auch ahnen, dass er mit einem Mal von ihren Ausflügen als Mädchen in Schuster Lamprechts Schuppen wusste; von den Striemen, die der Gürtel des Vaters auf dem Mädchenkörper der Bäckersfrau hinterlassen hatte; von den üppigen Brüsten der Mutter, an denen Nachbar Grynberg noch als Kleinkind gelegen hatte – kurz, dass ihm so vieles vertraut schien, das im Leben der Menschen um ihn herum vor sich ging, und dies der Grund war, warum Kazimierz sich an manchen Tagen wünschte, seinen Kopf mit einem beherzten Schlag vom Rumpf abzutrennen.
    Zu allem Überfluss war seit einigen Tagen ein furchtbarer Verdacht in ihm aufgekommen: Seine Frau, davon war er überzeugt, traf sich mit einem anderen Mann, und je länger er versuchte, sich vom Gegenteil zu überzeugen, desto stärker und fester wurde seine Überzeugung.
    Als der Schmerz nachließ, öffnete Kazimierz seine Augen wieder. Instinktiv führte er seine Hand zu der Silberkette, auf die er den Anhänger gezogen hatte. Er atmete tief ein, holte die salzige, kühle Luft in seine Lungen,und als er ausatmete, kam es ihm vor, als würde eine ganze Schwade von

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