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Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. O. Wilson
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gemeinschaftlich bei ihren Meetings.
    Das Ziel der Gaia Force bestand darin, die alte Ordnung umzustoßen und eine korrekt durchdachte neue Ordnung aufzustellen. Wie diese neue Ordnung aussehen sollte, wurde diskutiert, wieder diskutiert und auchin Zukunft immer weiter diskutiert, damit diesmal alles wirklich funktionierte. Die einzigen beiden Prinzipien, die bisher absolut feststanden, lauteten: vollständige Gleichheit von Geschlechtern und Rassen sowie sexuelle Freizügigkeit unter den Gaia-Mitgliedern, im Klartext Promiskuität.
    Es war unvermeidlich, dass Raff sich von JoLane angezogen fühlte. Er konnte nicht anders, als sich für ein attraktives Mädchen zu interessieren, das ihn so selbstbewusst aus der Menge auswählte. Er musterte sie, wie jeder heterosexuelle Mann jede gut aussehende junge Frau mustern würde, die ihm vor Augen kommt, wenngleich nur flüchtig. Seine Augenbewegungen folgten dem gewöhnlichen, genetisch programmierten Muster. Das Lebewesen vor ihm war erstens fast so groß wie Raff; jung, auf den ersten Blick fast noch ein Mädchen; dünn, zu dünn vielleicht, aber gepaart mit einem aufgeweckten, erregbaren Gebaren. JoLane hatte ein waches, intelligentes Gesicht, ausgestattet mit zwei Merkmalen, die nach wissenschaftlicher Erkenntnis Schönheit definieren, nämlich ein schmales Kinn und weit auseinanderstehende Augen, während ihr das dritte Merkmal, nämlich hohe Wangenknochen, fehlte. Ihr dunkelbraunes Haar war zu kurz geschnitten; ob das revolutionärer Gleichmacherei oder einer Abneigung gegen feminines Herausputzen geschuldet war, ließ sich nicht erraten. Nichts am Ringfinger. Und diversen Signalen in ihrem Tonfall und ihrer Körpersprache entnahm er, dass sie keine Lesbierin war.
    Noch wichtiger war Raff wie den meisten intelligenten Männern, dass sie beide höchst gewandt und zielorientiert waren. Beide zögerten, einander von ihrer Kindheit zu erzählen, und konnten unbeschwert über ihre Erziehunglachen. An diesem Abend unterhielten sie sich eine halbe Stunde zu zweit, nach dem Meeting eine weitere halbe Stunde, was schon die Blicke anderer Gaia-Force-Mitglieder auf sie zog, bis sich die Gruppe schließlich aufzulösen begann. Raff war erleichtert, dass keiner von JoLanes männlichen Freunden sich in das Gespräch einmischte und dass am Ende keiner auftauchte und sagte
Komm, JoLane, ich bring dich heim.
Erst später kam ihm in den Sinn, dass dieses mangelnde Eingreifen von Seiten eines besitzergreifenden Männchens womöglich auf einem Tabu gegen sexistische Verhaltensweisen beruhte, das wiederum auf dem Glauben fußte, dass testosterongesteuertes Verhalten ein bestimmendes Merkmal von Umweltsündern war.
    Zwei Tage später trafen sie sich auf einen Kaffee im Student Center im Untergeschoss der Memorial Hall. Wieder unterhielten sie sich, diesmal über ernstere Themen, etwa Aktionen von Umweltaktivisten und das Weltgeschehen. Noch immer kein Zeichen von männlichen Gaia-Rivalen. Am folgenden Samstag ein Spaziergang zur juristischen Fakultät, ein von Raff geführter Rundgang über das Gelände, weitere Gespräche. Am nächsten Wochenende war Raffs Zimmergenosse in Richards Hall auf einer Freiheitskundgebung für Gabon, und es kam zum Bettgeflüster.
    Anders als die meisten seiner Kommilitonen an der FSU hatte Raff vor seiner Ankunft in Harvard noch keine Erfahrungen mit Sex. Er war zu klein und äußerlich zu unreif, als dass die meisten Mädchen auch nur flüchtig auf ihn aufmerksam geworden wären. Außerdem war er schüchtern und hatte Angst, ein Mädchen zu schwängern oder in eine Beziehung zu schlittern, die so ernsthaftwar, dass sie ihn von seiner geplanten Karriere abbringen könnte. Ohnehin hatte er keinen Führerschein, und der war fast überall in den USA eine Voraussetzung für ein romantisches Techtelmechtel.
    An der Florida State University hatte er immerhin Verabredungen mit verschiedenen Mädchen gehabt – zum Abendessen, zum Reden, ins Kino auf dem oder so nah wie möglich am FSU-Campus. Und zweimal war es zu maßvoll heftigem Petting vor dem Mädchenschlafsaal gekommen, als er und sein Mädchen andere Paare dabei beobachteten. Diese Begegnungen lebte er innerlich häufig wieder durch und spann sie in seiner Phantasie weiter aus. Er träumte von mehr, vertröstete sich aber mit dem Gedanken, dass er eben noch warten musste.
    Raff war also völlig unvorbereitet für die körperlichen Zuwendungen, mit denen JoLane ihn bedachte. Sie waren ein Quantensprung im

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