Ameisenroman
Konföderierten eigentlich illegal war. Marybelle und sein weitläufiges Anwesen weiter obenam Fluss übergab er in die Obhut eines Verwalters, und dann segelte er mit seiner Familie zurück nach Providence. Trotz der Verwüstungen, die so viele große Villen im Süden praktisch dem Erdboden gleichmachten, überstand Marybelle den Krieg unbeschadet. Mobile erlebte eine Blockade durch die Kriegsschiffe der unionistischen Flotte, blieb aber ansonsten vom Kriegsgeschehen verschont, bis die Stadt nach der Schlacht in der Bucht von Mobile von Infanteristen besetzt wurde. Da die Blockade den Nachschub an Waffen und anderen Importwaren gedrosselt hatte, sahen sich die unionistischen Streitkräfte für ihren Vorstoß nach Norden nur einer überschaubaren Gefahr ausgesetzt, und so blieb Mobile das desaströse Schicksal von Atlanta und Savannah erspart. Die kleine Stadt wurde nicht geplündert und niedergebrannt wie die anderen beiden Bollwerke der Konföderierten. Ihre Einwohner konnten weiter ein mehr oder weniger normales Leben führen, allerdings unter ärmlicheren Umständen und für den kurzen Rest des Krieges unter strenger Überwachung. Marybelle wurde ausgeplündert, blieb aber in seiner Bausubstanz bestehen und erhielt sogar besonderen Schutz, da es bis in die ersten Jahren der Reconstruction als Hauptquartier eines unionistischen Bataillons diente. Der eine oder andere Familienfreund nannte das Anwesen im Scherz «Yankees Lust» oder, weniger nett, den «Blauwanst-Hafen».
Mr. Stoughton starb 1867, noch bevor er nach Mobile hätte zurückkehren können. Seine Erben hatten es sich in Providence so bequem eingerichtet, dass sie keinen Anlass sahen, von dort wegzugehen. Die Aussichten für ihre alte Heimat waren, so fanden sie, düster. Und in der Tat war über den Süden in jeder Hinsicht eine Art Dunkelheithereingebrochen. Zwar gehörten die konföderierten Staaten wieder zur Union, behandelt wurden sie aber im Grunde wie besetztes Gebiet. Ihre industriellen Grund–lagen, die schon vor dem Krieg nicht besonders üppig gewesen waren, lagen in Schutt und Asche. Baumwolle, Tabak und Holzwirtschaft, die ökonomischen Grundlagen, rappelten sich allmählich auf, aber nur langsam und mit schwankendem Erfolg. Niemand wusste, wie die neuerdings freien Sklaven sich anpassen, wohin sie gehen, welche Arbeiten sie annehmen würden. Ihre einstigen weißen Herren rieben sich an den extrem strengen Gesetzen der Nachkriegszeit auf, und all ihre Hoffnungen versanken in dem dumpfen Groll, den die aufgezwungenen radikalen Veränderungen in ihnen hervorriefen. Sie mussten mit einer Phase rassischen und zivilen Unfriedens rechnen.
Oben in Providence war den Stoughtons klar, dass es für abtrünnige Südstaatler kein guter Zeitpunkt war, um zurückzukehren. Mit gutem Grund fürchteten sie, die treuen Dagebliebenen, die ausgeharrt und gelitten hatten, könnten ihnen einen feindseligen Empfang bereiten.
Die Familie besaß noch immer Marybelle und ein paar verstreute Ländereien nördlich der Stadt – das ließen sie sich auch vom wieder eingerichteten Bundesgericht bestätigen. Doch Marybelle war inzwischen eher eine Bürde. Das Anwesen brachte nichts ein, aber es bestand ein hohes Risiko, dass es dem Vandalismus zum Opfer fiel.
Die Stoughtons beschlossen, mit diesen Verlusten Schluss zu machen und sich ganz aus dem Süden zurückzuziehen. Sie boten Marybelle zum Verkauf an. Diese Gelegenheit nutzte bald schon Thomas Semmes, ein Investor aus Alabama, der vor und im Krieg ein Vermögen gemacht hatte. Die meisten Gewinne hatte er mit seinemGespür für am Meer gelegene Anwesen in und um Mobile gemacht. Der Wert der Grundstücke stieg schnell an, als die Stadt als wichtigster Hafen östlich von New Orleans wieder auflebte.
Heute nun standen seine begüterten Nachfahren, die Marybelle derzeit bewohnten, allesamt wie altehrwürdige Aristokraten an der Toreinfahrt Spalier und begrüßten die Codys aus Clayville. Ganz vorne standen Marcias Bruder, Cyrus Semmes, und seine Frau Anne.
«Ach, ist das nicht wunderbar, ihr seht alle so
gut
aus!», rief Anne, während sie Marcia umarmte. Cyrus und Ainesley schüttelten sich die Hand wie Geschäftspartner.
«Ja, es ist einfach so
schön
, hier zu sein!», antwortete Marcia.
Cyrus wandte sich besonders aufmerksam an seinen Neffen Raphael. Er drückte dem Jungen die Hand, dann hielt er inne und umarmte ihn.
«Hey, Kleiner, du siehst gut aus, wirklich richtig gut. Wir sind alle so stolz auf dich,
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