Ameisenroman
ermuntern. Sobald er durfte, an seinem zwölften Geburtstag nämlich, trat er der Pfadfinderorganisation Boy Scouts of America bei.
Beiden Eltern gefiel dieser Entschluss, und ich bestätigte ihn noch zusätzlich.
«Da lernst du, wie du mit andern Leuten zurechtkommst», sagte Ainesley zu Raff. «Du bist zu viel allein. Du sollst ein paar Erwachsenen-Dinge lernen. Zusammen mit deinem Highschool-Abschluss hilft dir das vielleicht nach West Point oder so, falls du an eine Karriere beim Militär denkst.»
Auf die militärischen Aussichten war Marcia nicht so scharf, aber andererseits war sie froh, dass ihr Sohndiesen Ehrgeiz besaß, der ihm vielleicht schon bald zu einem entsprechenden Status verhelfen konnte.
Ich war selbst bei den Pfadfindern gewesen und als fast erwachsener Jugendlicher bis in den höchsten Rang, den eines Eagle Scouts, aufgestiegen, und ich konnte mir keine größere Freude vorstellen.
«Ihr müsst verstehen», sagte ich zu Ainesley und Marcia, als wir uns wieder am Nokobee trafen, «dass dieser Verein für Raff wie gemacht ist. Ihr wisst, er ist ein Junge, der einfach liebend gerne draußen ist, und für ein Kind seines Alters hat er sich schon unglaublich viel biologisches Wissen angeeignet. Er wird da gut hinpassen, und vielleicht täusche ich mich ja, aber ich wette, es geht ihm da so richtig gut.»
Ich kann nicht von mir behaupten, dass ich menschliches Verhalten besonders gut voraussagen kann, aber diesmal hatte ich recht. Die Boy Scouts of America halten keine Ausbildungslager ab, die Raphael Semmes Cody abgeschreckt hätten. Sie legen einem keine regelmäßigen Prüfungen vor, die Jungen von Natur aus verabscheuen. Sie diskriminieren nicht, versuchen einen nicht nach Intelligenz oder Talent einzuordnen, sondern einfach nur nach dem persönlichen Engagement. Wer seine eigenen Vorsätze erfüllt, steigt innerhalb der Rangordnung auf, und das im eigenen Tempo. Vom Tenderfoot (niemand will ein Tenderfoot bleiben) über die Second Class (auch das klingt für niemanden schön) zur First Class, dann Star, Life und schließlich zum Eagle Scout. Wann man einen Test ablegt, bestimmt man selbst. Wenn man es beim ersten Mal nicht schafft, macht das gar nichts. Dann übt man eben noch ein bisschen mit einem Gruppenleiter und versucht es noch einmal.
Raff kam allein oder in kleinen Gruppen schnell voran, und in jedem Rang berichtete er dem Scoutmaster von seinem Fortschritt. Die Abzeichen, die die wichtigsten Schritte zur Erreichung des nächsten Rangs bildeten, belohnten Erfolge in Disziplinen, die der normalen Entwicklung eines Heranwachsenden entsprachen. Zu Raffs Entzücken ging es dabei um Betätigungen im Freien, die ihm am meisten lagen und die er am liebsten mochte. Schwimmen, Rettungsschwimmen, Wandern, Zelten, Pionierarbeit, Erste Hilfe, Zoologie, Botanik und Entomologie; und mit jedem gemeisterten Schritt reihte sich das entsprechende Abzeichen zu den anderen an der Schärpe seiner Uniform.
Und noch etwas schafften die Pfadfinder, das genauso wichtig war. Sie rechtfertigten das Leben, auf das Raff sich da unbewusst vorbereitete. Sie erteilten der Wildnis vom Lake Nokobee einen geistigen und sozialen Segen.
13
R aphael Semmes Cody war, so sagte ich eines Sommertags zu seinen Eltern, wenn nur irgendein Mensch diesen Titel verdiente, ein Bürger der Wildnis vom Lake Nokobee. Mit der Zeit kannte er sich dort besser aus als in der Umgebung seines Zuhauses, das fünf Meilen entfernt war, besser als in den Klassenräumen und Pausenhöfen seiner Schule. Er liebte dieses Stück Land, als gehörte es ihm, und tief in seinem Innern wusste er, dass er, sollte er einmal auf den Irrwegen des normalen Lebens scheitern, in der innig vertrauten Wildnis vom Nokobee jederzeit Trost finden würde.
Mit zunehmender Reife wurde Raff zwangsläufig zu einem echten Biologen. Er lernte, wann die wilden Azaleen blühen; welche Blumen der Dogface-Gelbling bevorzugt, welche der Golf-Perlmuttfalter und welche andere Schmetterlingsarten; welche Salamander periodische Tümpel aufsuchen und wann. Er kannte die Gewohnheiten der seltsamen Kreaturen, die sich in den tiefen sandigen Schildkrötenbauten verbargen. Er war eingeweiht in die Geheimnisse der krötenfressenden Hakennasennatter, die giftige Grubenottern erwürgen kann, für den Menschen aber so harmlos ist wie ein Stock totes Holz. Rotschwanzskinks und andere Echsen waren ebenso harmlos, wie er bemerkte. Ohnehin bekam man nie eine zu fassen, weil sie wie der
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