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Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. O. Wilson
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Triumph war dem Reich der Superkolonie kein gutes Gedeihen beschieden. Das Gleichgewicht der Natur war gestört. Die riesige, dichte Population war für den Lebensraum eine zu schwere Last. Viele Pflanzen- und Tierarten in Reichweite der Schwärme von Arbeiterinnen begannen auszudünnen, einige verschwanden ganz. Zu den ersten Leidtragenden gehörten andere Ameisenarten. Wer wie die Superkolonie Bodennester bewohnte, wurde vertrieben oder getötet und aufgefressen. Wer auf ähnliche Nahrung angewiesen war, hatte mit schwindenden Ressourcen zu kämpfen. Die Kundschafterinnen und Ernte arbeiterinnen wurden an neuen Nahrungsquellen von den allgegenwärtigen Arbeiterinnen der Superkolonie abgestraft. Spinnen und Laufkäfer, einst unter den gefährlichsten Räubern der hügelbauenden Ameisen, mussten sich jetzt selbst als Beutetiere jagen lassen.
    Arbeiterinnen der Superkolonie ließen sich von der Notwendigkeit treiben, immer neue Futterquellen aufzutun für die ungehemmte Eiproduktion der Kleinköniginnen und die Brutpflege der hungrigen, madenförmigen Larven, die überall in dem riesigen Nest herumlagen. Sie drangen in Teile der umliegenden Natur ein, die Artgenossinnen einst als gefährlich und unproduktiv gemieden hatten. Sie jagten an der Wasserkante, einem für Ameisen riskanten Lebensraum. Sie kletterten an den Baumstämmenempor, durchkämmten die niedrigen Äste und stöberten dort Raupen auf, Larven der Sägewespen, Blütengrillen und alles Lebendige, was sich sonst noch fangen und töten ließ. Sie fingen oder verschreckten unfreiwillig Bestäuber blühender Pflanzen, so unterschiedliche Insekten wie Schmetterlinge, Nachtfalter, Bienen, Wespen, Schwebfliegen und Rosenkäfer, die einst schwarmweise die Gegend bewohnt hatten.
    Nur wenige Arten konnten dem Ansturm der Myrmidonen standhalten, etwa die am kräftigsten gepanzerten Sorten von Käfern, Hundertfüßern und Tausendfüßern. In relativer Sicherheit lebten auch Nachtfalter, Milben, Springschwänze und andere Gliederfüßer, die als Beutetiere zu klein waren. Regenwürmer waren einerseits schwer zu fassen und andererseits durch ihre dicke Schleimschicht geschützt. Diese Überlebenden glichen dem, was im menschlichen Umfeld Haussperlinge, Felsentauben und Ratten waren, alle entweder unschmackhaft oder schwer zu fangen.
    Ganz wenige Geschöpfe liebten die Superkolonie und wurden wieder geliebt. Dazu gehörten Schild-, Blatt- und Schmierläuse, zarte, träge kleine Insekten, die mit ihren hohlen Rüsseln Pflanzen anstechen und den Saft heraussaugen. Von den Ameisen wurden sie aus demselben Grund geschützt, aus dem Menschen sich Haustiere halten. Die Superkolonie unterhielt auf ihrem Territorium ganze Herden dieser Saftsauger. Im Schutz vor ihren Feinden, etwa vor Schlupfwespen, die ihre Eier in die Körper von Saftsaugern legten, und vor Marienkäfern, die die kleinen Insekten töten und vollständig verspeisen konnten, konnten die Saftsauger sich zu anormalen Populationen vergrößern. Die Saftsauger wiederum hemmtendas Wachstum der befallenen Pflanzen, deren Blätter gelb wurden und abfielen.
    Da es nur noch ganz wenige Rivalen und so gut wie keine Ameisen fressenden Räuber mehr gab, steigerte die Superkolonie nicht nur ihre absolute Population, sondern auch ihre Dichte. Schließlich war es so weit, dass es pro Quadratmeter ganz einfach mehr Ameisen gab, als das Ufer des Lake Nokobee tragen konnte. Wo einst verteilt im freien Land einzelne Nester standen, befand sich jetzt eine im Grunde durchgehende Ameisenstadt. Die Schwierigkeiten bei der Befriedigung des Heißhungers der Superkolonie entsprachen im Prinzip den Problemen bei der Versorgung einer überbevölkerten menschlichen Stadt.
    Bereits im Spätsommer war das Wachstum der Superkolonie ins Stocken geraten. Das Ökosystem insgesamt, also ihr lebensspendendes Umfeld, litt. Viele der noch überlebenden Pflanzen waren zu schwach, um sich auszusäen. Tiere, die ihre Nahrung auf dem Boden suchten, etwa Rotrücken-Spottdrosseln, Goldspechte, Eichhörnchen, Kaninchen, Wühlmäuse, Eidechsen und Schlangen, mieden die Gegend. Abgehalten wurden sie ebenso von der knapp gewordenen Nahrung wie von den Bissen und Stichen, denen sie sich aussetzten, wenn sie versuchten, unter den aggressiven Ameisen ihre Nahrung zu suchen.
    Auch unter den Menschen war die Superkolonie zum Thema geworden. Picknickgäste und Angler am Dead Owl Cove starrten auf die Erdhaufen ihrer Hunderten von Nestern. Die ursprünglichen

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