Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes
nichts dagegen hast, Liebling.«
»Nein«, antwortete Lady Baskerville müde. »Tu, was du willst, Cyrus. Die jüngsten Neuigkeiten haben mich sehr mitgenommen.«
Nachdem sie, auf Vandergelt gestützt, gegangen war, wandte Emerson sich an mich. Noch ehe er sprechen konnte, machte ich eine warnende Handbewegung.
»Ich glaube, Karl möchte dich etwas fragen, Emerson. Entweder das, oder er ist im Schatten eingeschlafen.«
Emerson machte ein erstauntes Gesicht. Karl war so ruhig gewesen, und die Ecke, in der er gesessen hatte, lag so weit von der nächsten Laterne entfernt, daß er möglicherweise eingenickt war. Allerdings vermutete ich einen weniger unschuldigen Grund. Nun erhob er sich und kam auf uns zu.
»Ich möchte den Herrn Professor nichts fragen, sondern ihn warnen. Es war sehr töricht zu sagen, was Sie gesagt haben. Sie haben dem Mörder den Fehdehandschuh hingeworfen.«
»Du meine Güte«, meinte Emerson. »Wie nachlässig von mir.«
Von Bork schüttelte den Kopf. In der letzten Woche hatte er stark abgenommen, und das Licht der Laternen betonte die Schatten unter seinen Wangenknochen und in seinen Augenhöhlen.
»Sie sind kein dummer Mann, Herr Professor. Ich frage mich, warum Sie so gehandelt haben. Aber«, fügte er mit der Andeutung eines Lächelns hinzu, »ich erwarte keine Antwort. Gute Nacht, Herr Professor, Frau Professor – schlafen Sie wohl.«
Stirnrunzelnd beobachtete Emerson, wie der junge Mann davonging. »Er ist der Klügste von dem Haufen«, murmelte er. »Vielleicht habe ich eben einen Fehler gemacht, Peabody. Ich hätte anders mit ihm umgehen sollen.«
»Du bist müde«, sagte ich großmütig. »Kein Wunder nach dem ganzen Geschrei und Herumgespringe. Komm’ ins Bett.«
Arm in Arm schlenderten wir über den Hof, und Emerson stellte beim Gehen fest: »Ich glaube, ich habe einen leichten Anflug von Tadel aus deiner Bemerkung herausgehört, Amelia. Meine meisterhafte Vorführung als >Geschrei und Herumgespringe< zu bezeichnen, dürfte wohl kaum …«
»Daß du getanzt hast, war ein Fehler.«
»Ich habe nicht getanzt, sondern einen feierlichen, rituellen Marsch aufgeführt. Der Umstand, daß der Platz begrenzt war …«
»Ich verstehe. Es war der einzige Makel an einer ansonsten grandiosen Vorstellung. Ich nehme an, die Männer haben sich bereiterklärt, wieder an die Arbeit zu gehen?«
»Ja. Abdullah steht heute nacht Wache, aber ich rechne nicht mit irgendwelchen Schwierigkeiten.«
Ich öffnete die Tür zu unserem Zimmer und zündete die Lampe an. Der Docht flammte auf, und das Licht ließ das Fell von Bastet, die auf einem Tisch am Fenster saß, in Hunderten feuriger Funken aufschimmern. Sobald sie Emerson erblickte, gab sie ein begeistertes, kehliges Miau von sich und trippelte auf ihn zu.
»Womit hast du dieses Tier angelockt?« fragte ich, während ich zusah, wie Bastet an Emersons Jackenschößen kratzte.
»Mit Hühnchen«, antwortete Emerson. Er zog ein fettiges Päckchen aus der Hosentasche. Zu meinem Bedauern bemerkte ich, daß es einen scheußlichen Fleck hinterlassen hatte. Dabei läßt sich Fett so schwer herauswaschen.
»Du nimmst besser Lady Baskervilles Armband von ihrem Hals«, meinte ich. »Wahrscheinlich hat sie schon die Hälfte der Steine verloren.«
In der Tat stellte sich heraus, daß das der Fall war. Als ich den bedrückten Ausdruck auf Emersons Gesicht sah, während er das Gewicht und den Wert der Rubine und Smaragde abzuschätzen versuchte, die er würde ersetzen müssen, vergab ich ihm, daß er sich wegen seiner Vorstellung so aufgeplustert hatte.
Als ich am nächsten Morgen nach Arthur sah, begrüßte mich die Schwester und teilte mir mit, daß der Patient eine ruhige Nacht verbracht hatte. Sein Gesicht hatte eine gesündere Färbung angenommen – die ich auf die kräftigende Wirkung der Hühnerbrühe zurückführte –, und als ich ihm die Hand auf die Stirn legte, lächelte er im Schlaf und murmelte etwas.
»Er ruft nach seiner Mutter«, sagte ich und wischte mir mit dem Ärmel eine Träne aus dem Auge.
»Vraiment?« fragte die Schwester zweifelnd. »Er hat ein- oder zweimal gesprochen, aber so leise, daß ich die Wörter nicht unterscheiden konnte.«
»Ich bin mir sicher, daß er >Mutter< gesagt hat. Und vielleicht wird er, wenn er aufwacht, das Gesicht dieser guten Frau über seinem Bett sehen.« Ich gestattete mir das Vergnügen, mir diese anrührende Szene vorzustellen. Natürlich würde auch Mary dabeisein. (Ich mußte wirklich
Weitere Kostenlose Bücher