Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes
auf«, sagte ich, als er sich anschickte, seine Jacke über einen Stuhl zu werfen. »Das ist jetzt schon das dritte Hemd, das du seit unserer Abreise ruiniert hast. Lernst du denn nie …«
Doch ich brachte diese Gardinenpredigt nie zu Ende. Emerson hatte meinen Befehl befolgt und die Türen des Kleiderschranks aufgerissen. Es gab einen Blitz und einen dumpfen Knall; Emerson sprang zurück, wobei er den Arm in einem unnatürlichen Winkel von sich streckte. Ein leuchtend roter Streifen erschien plötzlich auf seinem Hemdsärmel. Scharlachrote Tropfen fielen zu Boden und bespritzten das Heft des Dolchs, der aufrecht zwischen Emersons Füßen steckte und immer noch von der Wucht des Aufpralls zitterte.
Emerson umklammerte seinen Unterarm. Der Blutfluß wurde langsamer und hörte schließlich auf. Da machte mich ein Schmerz in der Brust darauf aufmerksam, daß ich die Luft angehalten hatte. Ich atmete aus.
»Das Hemd war sowieso ruiniert«, sagte ich. »Ich bitte dich, halt deinen Arm fest, daß du deine guten Hosen nicht vollblutest.«
Ich habe es mir zur Regel gemacht, stets die Ruhe zu bewahren. Trotzdem durchquerte ich das Zimmer mit einiger Geschwindigkeit und griff mir im Vorbeigehen noch ein Handtuch vom Waschtisch. Wie immer hatte ich Verbandsmaterial und Medikamente mitgebracht; in kurzer Zeit hatte ich die Wunde, die glücklicherweise nicht tief war, gereinigt und verbunden. Ich schlug nicht einmal vor, einen Arzt zu holen, da ich mir sicher war, daß Emerson in dieser Hinsicht meine Ansicht teilte. Wenn es durchgesickert wäre, daß der neue Leiter der Ausgrabungen in Luxor einen Unfall gehabt hatte, hätte das verheerende Folgen haben können.
Als ich fertig war, lehnte ich mich gegen den Diwan und konnte einen Seufzer nicht unterdrücken. Emerson sah mich ernst an. Dann lächelte er leicht.
»Du bist ein bißchen blaß, Peabody. Ich hoffe doch, daß wir jetzt keinen typisch weiblichen Nervenzusammenbruch bekommen.«
»Ich verstehe nicht, was an dieser Situation witzig sein soll.«
»Du überraschst mich. Ich für meinen Teil amüsiere mich über den lächerlichen Dilettantismus dieser Sache. So weit ich sehen kann, hat man das Messer einfach ins oberste Schrankfach gelegt, das etwas wackelig auf Holzleisten ruht. Als ich kräftig den Schrank aufgerissen habe, ist es herausgefallen. Es war reiner Zufall, daß es mich getroffen hat, anstatt harmlos zu Boden zu stürzen. Außerdem konnte sich der Unbekannte nicht sicher sein, daß ich derjenige sein würde, der …« Als ihm die Tragweite seiner Worte dämmerte, wurde er wütend. »Mein Gott, Peabody, du hättest dich ernsthaft verletzen können, wenn du diesen Schrank aufgemacht hättest!«
»Ich dachte, du hättest den Schluß gezogen, daß es nicht darum ging, jemanden ernsthaft zu verletzen«, erinnerte ich ihn. »Bitte jetzt keinen typisch männlichen Nervenzusammenbruch, Emerson. Das Ganze war nur als Warnung gedacht.«
»Oder als weitere Demonstration, wie wirksam der Fluch des Pharaos ist. Das kommt mir wahrscheinlicher vor. Niemand, der uns kennt, würde glauben, daß wir uns von einem so kindischen Trick ins Bockshorn jagen lassen. Wenn der Vorfall nicht öffentlich bekannt wird, war die Mühe vergebens.«
Unsere Blicke trafen sich. Ich nickte. »Du denkst an Mr. O’Connell. Würde er wirklich so weit gehen, um eine Geschichte zu bekommen?«
»Diese Kerle schrecken vor nichts zurück«, sagte Emerson mit finsterer Überzeugung.
Tatsächlich mußte er es am besten wissen, denn er hatte während seiner aktiven Karriere die Hauptrolle in einigen Sensationsberichten gespielt. »Er gibt immer etwas her, Mrs. Emerson«, hatte ein Reporter mir erklärt, »wenn er herumbrüllt und Leute verprügelt.«
In dieser Aussage lag viel Wahres, und Emersons Auftritt an diesem Abend würde unzweifelhaft ausgezeichneten Stoff für einen Bericht hergeben. Ich konnte die Schlagzeilen schon sehen: »Berühmter Archäologe greift einen unserer Reporter an! Emerson reagiert auf Fragen nach einem intimen Verhältnis mit der Witwe des Verstorbenen mit blinder Wut!«
Kein Wunder, daß Mr. O’Connell ein so zufriedenes Gesicht gemacht hatte, nachdem er die Treppe hinuntergestoßen worden war. Seiner Meinung nach waren ein paar blaue Flecken bestimmt ein geringer Preis für eine gute Geschichte. Jetzt erinnerte ich mich wieder an seinen Namen. Er war der erste gewesen, der die Sache mit dem Fluch in Umlauf gebracht – oder besser: erfunden – hatte.
An Mr.
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