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Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes

Titel: Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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O’Connells Skrupellosigkeit gab es nichts zu deuten. Gewiß hätte er keine Schwierigkeiten gehabt, sich Zutritt zu unserem Zimmer zu verschaffen. Die Schlösser waren nicht sonderlich solide und die Dienstboten empfänglich für Bestechung. Aber durfte man ihm auch einen Streich zutrauen, bei dem jemand verletzt werden konnte, und sei es auch noch so leicht? Ich konnte mir das nur schwer vorstellen. Vielleicht war er vorwitzig, unhöflich und skrupellos, aber ich bin eine ausgezeichnete Menschenkennerin. In seinem sommersprossigen Gesicht hatte ich keine Spur von Bösartigkeit entdecken können.
    Wir untersuchten das Messer, fanden aber nichts: Es handelte sich um ein übliches Modell, die Art, wie man sie in jedem Basar kaufen kann. Die Dienstboten zu befragen war sinnlos. Wie Emerson sagte, war es besser, wenn so wenige wie möglich davon erfuhren. Also zogen wir uns ins Bett zurück, das einen Betthimmel aus feinmaschigem, weißem Moskitonetz hatte. In der nun folgenden Stunde konnte ich mich überzeugen, daß Emersons Wunde keinen Anlaß zur Besorgnis gab. Sie schien ihn nicht im mindesten zu behindern.

    Am nächsten Morgen brachen wir früh nach Aziyeh auf. Obwohl wir unser Kommen nicht angekündigt hatten, war uns die Nachricht von unserer Ankunft auf den geheimnisvollen und unsichtbaren Wegen der Verständigung, wie einfache Menschen sie haben, vorausgeeilt. Als unsere Kutsche also auf dem staubigen Dorfplatz hielt, hatten sich die meisten Einwohner versammelt, um uns zu begrüßen. Ein schneeweißer Turban über einem bekannten, bärtigen Gesicht überragte alle. Abdullah war früher unser Vorarbeiter gewesen. Inzwischen war sein Bart fast so weiß wie sein Turban, doch seine riesige Gestalt wirkte so kräftig wie eh und je, und in seinem Gesicht kämpfte ein Willkommenslächeln mit dem Ausdruck patriarchaler Würde. Er schob sich durch die Menge, um uns die Hand zu schütteln.
    Wir wurden ins Haus des Sheikhs gebeten, wo sich die Hälfte der männlichen Bevölkerung in dem kleinen Wohnraum drängte. Dort saßen wir dann, tranken gesüßten schwarzen Tee und tauschten Komplimente aus, während die Temperatur stetig stieg. Auf lange Phasen höflichen Schweigens folgten wiederholte Ausrufe wie »Möge Gott dich beschützen« oder »Wir fühlen uns geehrt«. Solche Zeremonien können stundenlang dauern, aber unsere Zuhörer kannten Emerson gut. Also wechselten sie nur belustigte Blicke, als er schon nach zwanzig Minuten auf den Grund unseres Besuchs zu sprechen kam.
    »Ich fahre nach Luxor, um die Arbeit des verstorbenen Lords fortzuführen. Wer kommt mit mir?«
    Diese Frage löste leise Ausrufe und gut vorgespielte überraschte Blicke aus. Daß die Überraschung nicht echt war, bezweifelte ich nicht; Abdullah war nicht das einzig bekannte Gesicht im Raum; viele andere unserer Männer waren auch da. Die Arbeiter, die Emerson ausgebildet hatte, waren sehr gefragt, und mir war klar, daß viele der Leute andere Stellungen verlassen hatten, um zu uns zu kommen. Offenbar hatten sie mit dieser Bitte schon gerechnet und wahrscheinlich bereits beschlossen, was sie tun würden.
    Allerdings widerstrebt es der Natur der Ägypter, in irgend etwas ohne ausgedehnte Debatte und Erörterung einzuwilligen. Nach einer kurzen Pause erhob sich Abdullah, wobei sein Turban die Decke streifte.
    »Wir wissen, daß Emerson unser Freund ist«, sagte er. »Aber warum nimmt er nicht die Männer, die in Luxor für den guten Lord gearbeitet haben?«
    »Ich ziehe es vor, mit meinen Freunden zu arbeiten«, erwiderte Emerson. »Mit Männern, denen ich auch im Fall von Gefahr und Schwierigkeiten trauen kann.«
    »Ja.« Abdullah strich sich über den Bart. »Emerson spricht von Gefahr. Es ist bekannt, daß er niemals lügt. Wird er uns verraten, welche Gefahr er meint?«
    »Skorpione, Schlangen, Erdrutsche«, antwortete Emerson wie aus der Pistole geschossen. »Die gleichen Gefahren, denen wir Männer uns immer gemeinsam gestellt haben.«
    »Und die Toten, die nicht sterben können und unter dem Mond umherwandeln?«
    Mit einer so direkten Frage hatte ich nicht gerechnet. Auch Emerson traf sie unvorbereitet. Er antwortete nicht sofort. Jeder Mann im Raum hatte den Blick geradewegs auf Emerson gerichtet.
    Schließlich sagte er ruhig: »Abdullah, du vor allem mußt wissen, daß es so etwas nicht gibt. Hast du die Mumie vergessen, die gar keine Mumie war, sondern ein böser Mensch?«
    »Ich erinnere mich gut daran, Emerson, aber wer will

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