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Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes

Titel: Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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modernisiert worden ist, sind die Wände alt und zwei Meter dick. Geräusche dringen nicht so leicht durch, aber als wir den oberen Flur im Südflügel entlanggingen, hörte ich auf einmal einen merkwürdigen Laut, eine Art Brüllen. Auch wenn es sehr gedämpft klang, vermittelte es doch einen Grad von Wildheit, daß ich mir die Frage nicht verkneifen konnte: »Evelyn, hast du dir einen Zoo angeschafft?«
    »So könnte man es auch nennen«, antwortete Evelyn, wobei sie vor Lachen kaum Luft bekam.
    Als wir weitergingen, steigerte sich die Intensität des Geräusches. Vor einer geschlossenen Tür blieben wir stehen. Evelyn öffnete sie, und das Geräusch drang uns mit geballter Macht entgegen. Ich wich tatsächlich einen Schritt zurück und trat meinem Gatten, der dicht hinter mir stand, kräftig auf den Fuß.
    Es handelte sich um ein Kinderzimmer, das liebevoll mit all dem Komfort ausgestattet war, den man für Geld kaufen kann. Durch die hohen Fenster flutete Licht ins Zimmer; ein helles Feuer, das mit einem Kamingitter und einem Wandschirm geschützt war, milderte die Kälte der alten Steinmauern. In diesem Raum waren sie mit Holz vertäfelt und mit hübschen Bildern und bunten Stoffen geschmückt. Der Boden war mit einem dicken Teppich bedeckt, auf dem verschiedene Spielzeuge herumlagen. Vor dem Kamin saß der Inbegriff eines freundlichen, alten Kindermädchens zufrieden in einem Schaukelstuhl, Kappe und Schürze schneeweiß, das rosige Gesicht entspannt, die Hände mit einer Strickarbeit beschäftigt. An den Wänden standen in verschiedenen Abwehrhaltungen drei Kinder. Obwohl sie erheblich gewachsen waren, erkannte ich sie als Nachwuchs von Evelyn und Walter. In der Mitte des Zimmers saß kerzengerade auf dem Boden ein Baby.
    Seine Gesichtszüge waren nicht zu erkennen. Man sah nur eine riesige Mundhöhle, die von schwarzem Haar umrahmt wurde. Allerdings hatte ich, was die Identität des Kindes betraf, keine Zweifel.
    »Da ist er«, überbrüllte Evelyn das Geheul dieses Vulkans in Kindergestalt. »Schaut nur, wie er gewachsen ist!«
    Emerson schnappte nach Luft. »Was zum Teufel ist denn los mit ihm?«
    Das Kind, das – wie, kann ich mir nicht vorstellen – eine neue Stimme vernommen hatte, hörte auf zu kreischen. Das Geräusch brach so abrupt ab, daß mir noch die Ohren klingelten.
    »Nichts«, antwortete Evelyn. »Er kriegt gerade Zähne und ist manchmal ein wenig schlecht gelaunt.«
    »Schlecht gelaunt?« wiederholte Emerson ungläubig.
    Ich betrat, gefolgt von den anderen, das Zimmer. Das Kind starrte uns an. Es saß mit ausgestreckten Beinen auf seinem Hinterteil, und mir fiel sofort seine Körperform auf, die genaugenommen rechteckig war. Wie ich beobachtet hatte, neigten die meisten Babys zur Zartheit. Doch dieses hier hatte breite Schultern, eine gerade Wirbelsäule, keinen sichtbaren Hals und ein Gesicht, dessen kantige Züge nicht einmal der Babyspeck verbergen konnte. Seine Augen waren nicht hell, wie man es bei den meisten Kindern sieht, sondern dunkel wie zwei Saphire. Berechnend, fast wie ein Erwachsener, blickte es mich an.
    Inzwischen hatte sich Emerson vorsichtig von links genähert, als hätte er einen knurrenden Hund vor sich. Als das Kind plötzlich den Blick in Emersons Richtung wandte, blieb er stehen. Ein dümmlicher Ausdruck trat in sein Gesicht. »Kleiner«, säuselte er. »Wawa, Papas kleiner Wawa. Komm zum lieben Papa.«
    »Du meine Güte, Emerson!« rief ich aus.
    Die durchdringenden Augen des Babys richteten sich auf mich. »Ich bin deine Mutter, Walter«, sagte ich langsam und deutlich. »Deine Mama. Aber das kannst du ja wahrscheinlich noch nicht sagen.«
    Ohne Vorwarnung kippte das Kind nach vorne. Emerson stieß einen Angstschrei aus, doch seine Besorgnis war überflüssig. Geschickt landete der Kleine auf allen vieren und krabbelte in halsbrecherischer Geschwindigkeit geradewegs auf mich zu. Vor meinen Füßen kam er zum Stehen, kauerte sich auf die Fersen und streckte die Arme aus.
    »Mama«, sagte das Kind. Sein breiter Mund öffnete sich zu einem Lächeln, das Grübchen auf beiden Wangen zum Vorschein brachte und drei kleine, weiße Zähne sehen ließ. »Mama. Auf. Auf, auf, auf, auf.«
    Die Stimme steigerte sich, und das letzte »Auf« ließ die Fensterscheiben klirren. Also bückte ich mich hastig und packte das kleine Geschöpf. Es schlang die Arme um meinen Hals und drückte sein Gesicht an meine Schulter. »Mama«, sagte es mit gedämpfter Stimme.
    Aus irgendeinem

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