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Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes

Titel: Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Rhinozerosse«, belehrte ich ihn.
    »Ein aufgeftorbenef Rhinoferof«, beharrte Ramses.
    Ein eigenartiger Keuchlaut aus Richtung der Tür sorgte dafür, daß ich mich rechtzeitig umdrehte. Ich sah, wie Wilkins die Hände vor den Mund preßte und sich plötzlich abwandte. Wilkins ist ein sehr würdiger Mann und eine Perle von einem Butler, doch ein- oder zweimal hatte ich schon beobachten können, daß sich hinter seinem gesetzten Äußeren die zarte Andeutung eines Sinns für Humor verbirgt. Bei dieser Gelegenheit konnte ich nicht umhin, mich seinem Amüsement anzuschließen.
    »Dieses Wort ist nicht unpassend«, sagte ich, während ich mir mit den Fingern die Nase zuhielt. Gleichzeitig fragte ich mich, wie ich den Jungen entfernen sollte, ohne mein Wohnzimmer noch mehr zu verunstalten. Einen Diener zu rufen, damit dieser ihn hinausbrachte, kam nicht in Frage; Ramses war ein sehr bewegliches Kind und durch die Schlammschicht glitschig wie ein Frosch. Beim Versuch, dem Verfolger zu entkommen, würde er überall Spuren hinterlassen: auf dem Teppich, den Möbeln, den Wänden, den Kleidern der Damen …
    »Ein wunderschöner Knochen«, sagte ich, wobei ich mir nicht einmal Mühe gab, der Versuchung zu widerstehen. »Du mußt ihn waschen, ehe du ihn Papa zeigst. Aber vielleicht möchte ihn Lady Harold zuerst sehen.«
    Mit einer ausladenden Handbewegung wies ich auf die Dame.
    Wenn sie nicht so dumm gewesen wäre, hätte sie sich vielleicht etwas ausgedacht, um Ramses abzulenken. Wenn sie nicht so dick gewesen wäre, hätte sie ihm vielleicht ausweichen können. Doch wie die Dinge lagen, konnte sie nichts tun, als sich aufzublasen, zu kreischen und zu stottern. Ihre Versuche, das widerliche Ding loszuwerden (und es war sehr widerlich, muß ich zugeben), waren vergeblich. Es verlor sich in einer Falte ihres gewaltigen Rocks.
    Ramses war sehr entrüstet über die geringe Wertschätzung, die sein Schatz erfuhr.
    »Du fmeift ihn runter und ferbrichft ihn!« rief er aus. »Gib ihn mir furück!«
    Bei seinen Bemühungen, den Knochen zurückzuholen, zog er noch eine meterlange Spur über Lady Harolds riesigen Schoß. Dann drückte er ihn an seine kleine Brust und warf Lady Harold einen verachtungsvollen Blick zu, ehe er sich aus dem Zimmer trollte.
    Über die nun folgenden Ereignisse breite ich den Mantel des Schweigens. Selbst jetzt bereitet mir die Erinnerung ein unwürdiges Vergnügen, und es gehört sich nicht, sich solchen Gedanken hinzugeben.
    Ich stand am Fenster und sah zu, wie die Kutschen eilends durch den Regen davonfuhren. Leise summte ich vor mich hin, während Rose sich um das Teegeschirr und die Schlammspuren kümmerte, die Ramses hinterlassen hatte.
    »Am besten bringen Sie frischen Tee, Rose«, sagte ich. »Professor Emerson kommt gleich nach Hause.«
    »Ja, Madam. Ich hoffe, Madam, daß Sie mit allem zufrieden waren.«
    »O ja. Ich könnte nicht zufriedener sein.«
    »Ich freue mich, das zu hören, Madam.«
    »Dessen bin ich mir sicher. Aber Rose, geben Sie Master Ramses keine Belohnung.«
    »Auf keinen Fall, Madam.« Rose machte ein entsetztes Gesicht.
    Eigentlich wollte ich mich noch umziehen, ehe Emerson zurückkehrte, aber an diesem Abend kam er früher. Wie immer hatte er einen Stapel von Büchern und Papieren bei sich, die er in einem wilden Haufen aufs Sofa warf. Dann wandte er sich zum Feuer und rieb die Hände kräftig aneinander.
    »Ein abscheuliches Wetter«, knurrte er. »Ein scheußlicher Tag. Warum hast du dieses gräßliche Kleid an?«
    Emerson hat nie gelernt, sich vor der Tür die Füße abzutreten. Ich betrachtete die Abdrücke, die seine Stiefel auf dem soeben gereinigten Boden hinterlassen hatten. Dann sah ich ihn an, und der Tadel, der mir schon auf der Zunge gelegen hatte, erstarb mir auf den Lippen.
    In den Jahren seit unserer Eheschließung hatte er sich körperlich nicht verändert. Sein Haar war ebenso dicht, schwarz und zerzaust wie immer, seine Schultern ebenso breit und seine Haltung ebenso gerade. Als ich ihn kennenlernte, trug er einen Bart. Nun war er auf meine Bitte hin glattrasiert, was ein gehöriges Zugeständnis darstellte, denn Emerson verabscheut das Grübchen auf seinem markanten Kinn von ganzem Herzen. Mir gefällt dieser kleine Schönheitsfehler; er ist das einzig Spielerische an seiner sonst so schroffen Physiognomie.
    An diesem Tag waren sein Aussehen, sein Verhalten und auch seine Art zu sprechen wie immer, aber es lag etwas in seinen Augen … Ich kannte diesen Blick.

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