Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes
Expedition gehörten die fähigsten Leute; jetzt, da Sie und der Professor angekommen sind, fehlt uns lediglich noch ein Zeichner. Mr. Armadale hatte diese Aufgabe übernommen, und ich weiß nicht …«
»Das ist aber ein schwerer Mangel«, unterbrach ihn Emerson. »Woher sollen wir einen Zeichner nehmen? Wenn Evelyn nur nicht ihre vielversprechende Karriere aufgegeben hätte. Sie hatte eine sehr gute Hand dafür. Sie hätte es vielleicht noch zu etwas gebracht.«
Angesichts dessen, daß Evelyn eine der wohlhabendsten Frauen von ganz England war, sich als Mutter hingebungsvoll um ihre drei reizenden Kinder kümmerte und von ihrem Gatten, der sie auf Händen trug, abgöttisch geliebt wurde, konnte ich nicht recht erkennen, daß sie etwas Wichtiges aufgegeben hatte. Ich wußte jedoch, daß es keinen Zweck hatte, Emerson das klarmachen zu wollen. Deshalb beließ ich es bei der Bemerkung: »Sie hat versprochen, uns wieder zu begleiten, wenn die Kinder erst einmal zur Schule gehen.«
»Ja, aber wann wird das sein? Am laufenden Band setzt sie diese Geschöpfe in die Welt, und ein Ende ist nicht abzusehen. Ich habe meinen Bruder und seine Frau wirklich gern, aber diese ewige Serie von Evelyns und Walters in Miniaturausgabe ist allmählich ein wenig übertrieben. Die menschliche Rasse …«
Als die menschliche Rasse ins Spiel kam, hörte ich nicht mehr zu. Emerson ist durchaus in der Lage, stundenlang auf diesem Thema herumzureiten.
»Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte«, wandte von Bork zögerlich ein.
Ich blickte ihn verwundert an. Dieser verhaltene Tonfall paßte so gar nicht zu seiner ansonsten so selbstbewußten Art zu sprechen, und obgleich seine Miene unbewegt blieb, hatten sich seine sonnengebräunten Wangen ein wenig gerötet.
»Ja, sicher«, meinte Emerson, der so verblüfft war wie ich.
Von Bork räusperte sich verlegen. »Es gibt da eine junge Dame – eine Engländerin – in Luxor, die eine versierte Malerin ist. Notfalls könnte man sie vielleicht überreden …«
Emerson machte ein langes Gesicht; ich konnte es ihm nachfühlen. Ich teilte seine Meinung über junge Damen, die sich zur Kunst berufen fühlen.
»Dafür ist es wohl noch zu früh«, sagte ich taktvoll. »Wenn wir etwas entdeckt haben, das es wert ist, gezeichnet zu werden, können wir über einen Maler nachdenken. Aber ich danke Ihnen für Ihren Vorschlag, Herr von Bork. Ich würde Sie lieber Karl nennen. Das ist einfacher und klingt freundlicher. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.«
Bis er mit seiner Versicherung, daß er nichts dagegen habe, ans Ende gelangt war, hatten wir am Westufer angelegt.
Dank Karls Tatkraft und Emersons Flüchen saßen wir bald darauf auf dem Rücken von drei Eseln und waren zum Aufbruch bereit. Abdullah, der sich um den Transport des Gepäcks und der Männer kümmern sollte, ließen wir zurück; wir ritten durch die Felder, die jetzt vom Getreide grün waren. Das Tempo eines Esels ist über alle Maßen gemächlich, so daß wir uns während des Ritts unterhalten konnten; und als wir uns der Stelle näherten, wo der durch die jährlichen Überschwemmungen herangetragene fruchtbare schwarze Boden aufhört und in roten Wüstensand übergeht, sagte Emerson plötzlich: »Wir werden über Gurneh reiten.«
Karl, der seine Aufgabe, uns in Empfang zu nehmen und für unseren Transport zu sorgen, ohne Mißgeschick erfüllt hatte, war inzwischen entspannter; ich merkte es daran, daß er – wenn er ruhig war – nicht so geschraubt sprach wie sonst.
»Das ist nicht der direkte Weg«, wandte er ein. »Ich dachte, Sie und Mrs. Emerson würden gerne etwas ausruhen und sich frisch machen, nach …«
»Ich habe meine Gründe dafür«, erwiderte Emerson.
»Aber natürlich! Wie der Herr Professor wünscht.«
Unsere Esel stapften hinaus in die Wüste. Die Beschaffenheit des Bodens änderte sich dort so plötzlich, daß die Tiere mit den Vorderhufen bereits im heißen Sand steckten, während sie mit der Hinterhand noch auf dem fruchtbaren Land standen. Das Dorf Gurneh liegt mehrere hundert Meter jenseits des kultivierten Bodens, am steinigen Fuß der Berge. Die Hütten aus sonnengetrockneten Ziegeln sind vor dem Hintergrund der hellbraunen Hügelkette kaum zu erkennen. Die Dorfbewohner haben handfeste wirtschaftliche Gründe hierzubleiben, da sie an Ort und Stelle ihren Lebensunterhalt verdienen. Zwischen den Hütten und unter deren Böden liegen die antiken Grabstätten, deren Schätze die Einkommensquelle der
Weitere Kostenlose Bücher