Amelia Peabody 03: Der Mumienschrein
und mir, denn der Geruch dieser Exkremente ist wirklich schauderhaft. »War es ein lohnender Ausflug, Peabody?« rief er, nachdem wir schon ein ganzes Stück geritten waren.
»Ja, danke, Emerson. Sehr interessant.«
Emerson lenkte seinen Esel ein Stück in unsere Richtung. »Du weißt, daß ich Dahschûr genommen hätte, wenn ich es nur bekommen hätte, Peabody?«
»Ich weiß es, mein lieber Emerson.«
Der Wind stand sehr ungünstig, so daß Emerson nach kurzer Zeit die Nase rümpfte und wieder ein Stück zurückblieb. »Möchtest du gar nicht wissen, was ich von dem finsteren Russen erfahren habe, während du in der Pyramide herumgekrochen bist?« rief er.
»Ich würde ef gerne erfahren, Papa«, rief Ramses und wendete seinen Esel. Hastig bedeckte Emerson seine Nase mit dem Ärmel. »Später, mein Sohn, später. Bleibe lieber bei Mama.«
Emersons Anspielungen auf den Russen waren nur ein Trick gewesen, um meine Neugier anzustacheln, wie er später zugab. Nachdem wir zu Abend gegessen hatten und Ramses in seinem Zimmer verschwunden war, setzte Emerson sich an den Tisch, faltete die Hände und sah mich ernst an.
»Wir müssen miteinander reden, Peabody. Ich fürchte, wir müssen der schmerzlichen Wahrheit ins Auge sehen, daß wir mitten in einer üblen, kriminellen Verschwörung stecken.«
»Emerson!« rief ich erstaunt. »Wirklich, du überraschst mich!«
Mein Ehemann sah mich mit saurer Miene an. »Sarkasmus steht dir genausowenig wie mir, Peabody. Bisher waren alles doch nur wilde Theorien, aber die häufigen Anschläge auf unsere Behausungen lassen mich doch allmählich zu dem Schluß kommen, daß wir der Mittelpunkt irgendwelcher Umtriebe sind. Aber noch bedeutender scheint mir die Tatsache, daß jemand bei der Schwarzen Pyramide gegraben hat.«
»Dann glaubst du also auch, daß es eine Bande von Antiquitätendieben gibt?«
»Warte«, sagte Emerson und hob mahnend seine Hand. »Laß uns dieses Problem Schritt für Schritt durchgehen, Peabody. Wenn wir nur von Vermutung zu Vermutung springen, werden uns die lockeren Steine im Fundament unserer Theorie nicht auffallen.«
Ich nahm meine Näharbeit zur Hand. »Ich höre, mein lieber Emerson!«
»Also, erster Punkt: illegale Grabungen in Dahschûr. Ich habe dir doch von den zahlreichen illegalen Funden erzählt, die neuerdings im Handel sind. Darunter ist auch ein Pektoral der zwölften Dynastie mit einer Königskartusche gewesen, ein besonders schönes Stück übrigens. In Dahschûr stehen drei Pyramiden der zwölften Dynastie, darunter auch die Schwarze Pyramide. Es gibt zwar noch an anderen Orten Gräber aus dieser Zeit, aber da ich hier Beweise für illegale Grabungen entdeckt habe, läßt mich doch vermuten, daß das Pektoral von hier stammt.«
»Ich stimme dir zu, Emerson. Und die Diebe sind noch nicht fertig, denn vermutlich wird es hier noch mehr Gräber geben …«
»Zweiter Punkt«, sagte Emerson lauter: »Abd el Attis Verbindung zu der Diebesbande. Sein Tod, die Anwesenheit seines Sohnes hier in Mazghunah und der Mord an diesem Sohn unterstützen die Theorie, daß es eine Verbindung gibt. Einverstanden?«
»Da ich diese Vermutung schon immer geäußert habe, bin ich natürlich einverstanden.«
»Hm«, sagte Emerson. »Aber von hier an betreten wir unsicheren Boden, Peabody. Was können diese Verbrecher nur von uns Unschuldigen wollen? Es kann noch nicht einmal ihr Ziel sein, uns zum Schweigen zu bringen, denn niemand von uns hat irgend etwas gesehen, was dem Mörder Abd el Attis Anlaß geben könnte …«
»Wahrscheinlich haben wir einen Beweis gesehen, ohne seine Bedeutung zu erkennen.«
»Eine weitere Tatsache ist auch, daß niemand etwas gegen uns als Personen unternommen hat, Peabody. Offenbar suchen die Leute nach etwas, das sich in unserem Besitz befindet. Oder von dem sie zumindest annehmen, daß wir es haben.«
»Ich glaube, du hast es, Emerson!« rief ich. »Wir wissen, dass wir nichts Wertvolles besitzen. Das Mumienporträt ist hübsch, aber kein Vermögen wert, und die Papyrusfragmente sind völlig wertlos. Kannst du dir vorstellen, daß irgend etwas von einer dritten Partei aus dem Laden gestohlen, geraubt oder entfernt wurde und man uns jetzt für den Verlust verantwortlich macht?«
»Möglich wäre es«, räumte Emerson ein. »Ich kann mich recht gut an die Dinge erinnern, die ich in dieser Nacht gesehen habe, aber es ist sehr schade, daß du bei deinem ersten Besuch nicht auch in dem hinteren Raum gewesen bist. Dann
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