Amelia Peabody 05: Der Sarkophag
und Ramses … einer für alle und alle für einen, nicht wahr? Und jetzt erzähl mir, was heute passiert ist.«
»Laß mich überlegen. O ja, fast hätte ich es vergessen. Du hast Mr. O’Connell verpaßt. Ich ebenfalls. Er hat eine Nachricht hinterlassen.«
»Ich weiß. Ich habe sie gelesen.« Emerson grinste. »Ich weiß nicht, wieso er sich beschwert, schließlich hat er sämtliche Konkurrenten mit seiner Story über die fluchbringenden Uschebtis aus dem Feld geschlagen – auch wenn er den Begriff falsch geschrieben hat. Sechs weitere erhielten ebenfalls welche – Pétrie, Griffith, die Museumsdirektoren …«
»Das weiß ich, Emerson. Auch ich habe Mr. O’Connells Artikel gelesen. Aber wegen dir hat er eine heißere Story verpaßt, was seine Arbeitgeber nicht unbedingt begeistert aufnehmen.«
»Geschieht ihm recht. Daraus lernt er, nicht soviel zu trinken und keinem Ägyptologen zu vertrauen, der irgendwelche Geschenke bekommen hat.«
»Das hoffe ich inständig, Emerson.«
Ich nahm mir vom Rosenkohl. Emerson stocherte in seinem herum und beobachtete mich aus den Augenwinkeln heraus.
»Würde es dir etwas ausmachen, mit mir über den Fall zu sprechen, Peabody?«
»Aber, Emerson!« Ich lachte. »Was ist denn in dich gefahren? Wie oft hast du bislang schon behauptet, daß es (a) keinen Fall gibt und daß (b) wir nichts damit zu tun haben?«
»Ich habe nichts dergleichen behauptet«, entfuhr es Emerson in einem solchen Brustton der Überzeugung, daß ich ihm geglaubt hätte, wenn ich seine Worte nicht mit meinen eigenen Ohren gehört hätte. »Zumindest … zweifellos gibt es da irgendeinen Fall – weiß der Himmel, worum es sich handelt –, deshalb schlage ich vor, wir diskutieren die Sache. Apropos nichts damit zu tun haben – wer war denn so nett, dich gestern nacht in eine Opiumhöhle mitzunehmen, Peabody?«
»Das war wirklich nett von dir, Emerson.«
»Ja, Peabody, das war es.«
»Aber du hast nur nachgegeben, weil dir klar war, daß ich sowieso hingegangen wäre.«
»Hmhm«, machte Emerson. »Also, willst du nun darüber sprechen oder nicht?«
»Gewiß, Emerson. Sollen wir uns in die Bibliothek zurückziehen, oder möchtest du lieber am Tisch sitzenbleiben, so daß Gargery sich zu uns gesellen kann?«
Der Sarkasmus war so subtil, daß er Gargery entging, der zustimmend nickte. Emerson runzelte die Stirn. »Dann also die Bibliothek. Es macht Ihnen doch nichts aus, oder, Gargery?«
»Emerson«, zischte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Ja, Peabody. Sofort.«
Die Veränderung in seinem Verhalten war erstaunlich – keine Hitzigkeit, kein Protest, lediglich höfliches Einverständnis. Ein negatives Vorzeichen für den von mir erhofften Vertrauensbeweis, dennoch gab ich die Hoffnung nicht auf. Falls Emerson ein volles Geständnis ablegte und mich um Gnade anflehte – oder, noch besser, falls er alles gestand und erklärte, daß mich das verflucht nichts anging –, dann war die Sache ein für allemal erledigt. Doch der Vertrauensbeweis mußte von ihm ausgehen, er mußte den fatalen Namen als erster erwähnen.
Wir ließen uns vor dem Kaminfeuer nieder.
»Nun, Peabody«, sagte Emerson. »Willst du anfangen?«
»Danke, nein, Emerson.«
»Oh. Also dann … hmmm. Uns sind bislang drei verschiedene und scheinbar voneinander unabhängige Personengruppen bekannt. Als erstes die mit dem Museum in Verbindung Stehenden – Oldacre und der Nachtwächter, Wilson, Budge und die Wissenschaftler, die die Uschebtis erhielten. Zweitens die – äh – die ägyptische Gemeinschaft, wie du sie bezeichnest.«
Er hielt inne, und ich wartete mit klopfendem Herzen, ob er seine Aussage vertiefen würde. Statt dessen räusperte er sich mehrmals und fuhr dann fort. »Und drittens die leichtlebigen Aristokraten. Ich glaube, daß unsere Aufgabe in der Klärung der Frage besteht, ob zwei der drei Parteien oder auch alle in irgendeiner Weise in Verbindung stehen.«
»Aufgrund der Mumien-Schenkung und des von Lord St. John geäußerten Interesses an der Archäologie stehen die verfluchten Aristokraten ganz offensichtlich in Kontakt mit dem Museum. Sie sind ebenfalls in den Opiumhandel verwickelt und infolgedessen möglicherweise auch mit der zweiten Personengruppe. Allerdings gibt es in London eine ganze Reihe von Opiumhöhlen, die in erster Linie von Chinesen oder Indern betrieben werden. Nichts läßt darauf schließen, daß Lord Liverpool sein Opium von einem Ägypter bezieht.«
»Außer der
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