Amelia Peabody 05: Der Sarkophag
Meinung einer Frau in Gegenwart von zwei so herausragenden Intellekten überhaupt von Bedeutung ist –, daß dieselbe Person für beide Vorfälle verantwortlich zeichnet.« Gargery und Emerson tauschten Blicke aus. Schulterzuckend verdrehte Emerson die Augen; ich fuhr fort: »Ich meine, daß es unsere Pflicht ist, herauszufinden, ob den weiteren Empfängern der Uschebtis irgend etwas Ungewöhnliches zugestoßen ist.«
Gargery hüllte sich in diskretes Schweigen. Mit aufgesetzter Herzlichkeit ereiferte sich Emerson: »Ein hervorragender Vorschlag, Peabody. Nach dem Essen werde ich aufbrechen und einige Besuche machen. Möchtest du mich begleiten?«
»Danke, nein, Emerson. Du und Gargery werdet euch mit Sicherheit gut amüsieren.«
Während des Frühstücks am darauffolgenden Morgen bemerkte ich gegenüber meinem Gatten: »Du hättest dir die Mühe mit den Besuchen sparen können, die du im allgemeinen ohnehin verabscheust, Emerson. Es steht alles im Morning Mirror. «
»Was sagst du da?« Emerson entriß mir die Zeitung. »O gütiger Himmel! Wie haben sie von der Sache mit Ramses bei Madame Tussaud’s Wind bekommen?«
»Wem hast du es erzählt, Emerson?«
Nachdenklich starrte Emerson auf die Zeitung. »Budge und Pétrie und Griffith und … nein, Pritchett nicht, er war nicht zu Hause. Sie behaupteten – wie du sicherlich gelesen hast –, daß ihnen nichts Ungewöhnliches aufgefallen ist.«
»Was darauf schließen läßt, daß der Unbekannte entschlossen ist, sich auf dich zu konzentrieren, Emerson.«
»Nicht unbedingt. Mit Ausnahme von Budge, der selbst das Begräbnis seiner Mutter an die große Glocke hängen würde, sind die anderen vielleicht nicht bereit, irgendwelche außergewöhnlichen Vorfälle zuzugeben. Insbesondere Pétrie – du weißt doch, was für eine taube Nuß er ist.«
»Also hast du nichts aus ihnen herausbringen können?« In der Nacht zuvor hatten wir nicht mehr darüber gesprochen; Emerson kam erst sehr spät ins Bett und stank nach Tabak. Ich stellte mich schlafend.
»Griffith zeigte mir sein Uschebti. Es war identisch mit dem, das ich bekommen habe, Peabody. Irgend jemandem fehlen irgendwo einige seltene und kostbare Stücke aus seiner Antiquitätensammlung. Wenn man diese Spur verfolgte …«
»Das wäre gewiß sinnvoll«, stimmte ich ihm höflich zu, während mir meine kleine Liste einfiel (die ich aus Sicherheitsgründen in einer verschlossenen Schreibtischschublade aufbewahrte). »Vermutlich waren diese Uschebtis niemandem bekannt?«
»Nein. Was sehr stark darauf hindeutet, daß sie einer Privatsammlung entstammten. Selbst Budge würde ihr Verschwinden aus dem Museum bemerken.«
»Was ist mit den Universitäten, Manchester, Birmingham …«
»Da könnte ich sicherlich nachfragen.«
»Da ist noch etwas, was du tun könntest«, sagte ich und nahm die von Mary Ann gerade hereingebrachte Morgenpost in Empfang.
»Und das wäre, Peabody?«
»Die meisten Bürger würden einen Anschlag wie den auf deinen Sohn der Polizei melden.«
Emerson wirkte verblüfft und rieb sich sein Kinn. »Vermutlich würden sie das. Ich frage mich, Peabody, ob wir diese Dinge so gewohnheitsmäßig hinnehmen, daß wir ihnen kaum noch Beachtung schenken.«
»O nein, Emerson; wenn man überlegt, wer und was wir sind, dann reagieren wir vollkommen logisch. Hier ist deine Post.«
»Danke.« Emerson ging sie mit der ihm eigenen Impulsivität durch und bemerkte lediglich: »Verfluchte Oxford Press«, während er das Schreiben zu Boden warf. »Vielleicht sollte ich nachher beim Yard vorbeischauen«, meinte er beiläufig.
»Eine hervorragende Idee, Emerson.«
»Würde es dir etwas ausmachen mitzukommen?«
»Ich sehe keinen Grund, warum wir zu zweit hingehen sollten, Emerson.«
»Ich würde – ich würde mich über deine Begleitung freuen, Peabody.«
»Danke, Emerson, das ist sehr nett von dir. Aber ich habe anderes zu tun.«
»Oh?«
»Ja.«
»Wie kommst du mit deinem Vortrag voran?«
»Sehr gut, danke der Nachfrage.«
Emerson warf seine Serviette und seine restliche Post auf den Boden und sprang auf. Sein Stuhl fiel krachend um. »Hölle und Verdammnis!« brüllte er und stürmte aus dem Zimmer.
»Versuch doch bitte, zum Tee zurück zu sein, Emerson!« rief ich ihm hinterher. »Ich erwarte einen Gast.«
Emersons Schritte verstummten. Er kehrte zur Tür zurück und blickte ins Zimmer. »Wen denn?« fragte er, neugierig geworden.
»Mr. Wilson. Er war so nett, meine Einladung
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