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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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sich die Spannung auf ihren Höhepunkt steigerte, erhob sich Budge und trat hinter das Rednerpult. »Mylords, Myladys und Gentlemen«, hub er an – und verfiel dann in den unerträglichen und allseits bekannten Sermon.
    Seine Zuhörer waren nur wenig belastbar und zeigten schon bald erste Anzeichen von Ungeduld. Sie waren gekommen, um der Enthüllung einer Mumie beizuwohnen; sie waren weder interessiert an Herodot noch an dem Totenbuch. Offenbar hatten sich einige Mitglieder der Unterschicht an den Saalordnern vorbeigeschlichen, denn die erste Wortmeldung, die sich über dem gelangweilten Gemurmel des Publikums erhob, war zweifellos von Cockney-Akzent gefärbt. »He, wie wär’s, Kumpel, wenn wir dem alten Mädchen die Sachen ausziehn?«
    Er wurde von seinen Nachbarn zum Schweigen ermahnt, doch der nächsten Unterbrechung war weniger leicht Herr zu werden. Budge hatte gerade das »Bad aus flüssigem Natron« erwähnt, »in dem der Leichnam normalerweise 90 Tage ruhte«, als jemand brüllte: »Hirnrissiger Blödsinn, Budge! Warum überlassen Sie das Podium nicht jemandem, der weiß, wovon er spricht?«
    Mein Herz machte plötzlich einen Satz. An dieser Stimme bestand absolut kein Zweifel! Er war da; er war nicht … woandershin gegangen. Meine schlimmsten Befürchtungen hatten sich zwar nicht zerschlagen, aber wenigstens auch nicht bewahrheitet.
    Lautes, zustimmendes Gemurmel aus den Reihen der gelangweilten Zuhörer zwangen Budge, in seinen Selbstbeweihräucherungen innezuhalten. Er rückte an seiner Brille und spähte durch den Saal. Er wußte genausogut wie ich, von wem dieser Einwurf stammte, stellte sich jedoch taub.
    »Wenn ich fortfahren darf«, hub er an.
    »Nein, Sie Hohlkopf, das dürfen Sie nicht«, polterte dieselbe Stimme; und Kevin bemerkte mit leuchtenden Augen: »Es ist der Professor! Hurra! Dieser Abend wird vielleicht doch nicht so sterbenslangweilig.«
    Aus den hinteren Reihen der gegenüberliegenden Saalseite erhob sich eine Gestalt. Es handelte sich nicht um die stattliche Statur meines auf Abwege geratenen, aber dennoch geliebten Gatten. Es war die eines schwarzhaarigen Kindes, wie ich schmerzvoll bemerkte, in überaus staubiger Clubjacke und zerknittertem Hemd. Seltsam schwerelos schwebte diese Erscheinung im Raum. Ich begriff, daß er auf den Schultern seines Vaters saß.
    Ramses – denn, wie der Leser unschwer vermutet, handelte es sich tatsächlich um meinen Sohn – rief: »Bei allem anerbotenem Respekt, Mr. Budge, Sie irren sich. Meine eigenen Versuche haben bewiesen, was ich von Anfang an annahm –«
    Budge hatte sich wieder gefaßt. »Von allen … das ist die größte … Setzen Sie sich, Professor! Schweigen Sie, junger Mann! Wie können Sie es wagen!«
    »Lassen Sie den Knirps doch ausreden«, ereiferte sich eine Stimme aus den hinteren Reihen. Zustimmendes Gelächter folgte dem Sprecher, und Emerson bahnte sich den Weg zur Kopfseite des Saales. Sicherlich muß ich nicht erwähnen, daß Ramses immer noch sprach. Ich sah, wie sich seine Lippen bewegten, doch seine Worte wurden ebenso wie Budges verzweifelte Zurechtweisungen von frenetischem Gelächter übertönt. Neben mir gluckste Kevin vor Vergnügen und machte sich eifrig Notizen.
    Emerson trat vor das Publikum und hob mahnend die Hand. Der Lärm versiegte, und Ramses’ Stimme wurde deutlich vernehmbar. »… starker Verwesungsgeruch, das Gewebe verfärbte sich und nahm eine breiige oder gallertartige Konsistenz an. Andererseits sorgt Natron in fester Form mit hohen Anteilen von Sodiumkarbonat und Sodiumbikarbonat dafür …«
    Emersons anziehendes Gesicht strahlte vor väterlichem Stolz, während er den exakten, aber auch revolutionären Ausführungen seines Sohnes lauschte. Ich murmelte nur: »O gütiger Himmel« und wußte nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. »Pst«, zischte Kevin, der sich wie ein Wahnsinniger Notizen machte.
    Budge mußte geahnt haben, daß lediglich physische Gewalt Ramses zum Schweigen gebracht hätte, und aufgrund seiner Wut rechnete ich schon fast damit, daß er das seltsame Gespann mit seinen Fäusten traktieren würde. Allerdings war es nicht sein Eingreifen, das Ramses’ Vortrag beendete. Die Intervention war völlig anderer Natur.
    Emerson bemerkte den Neuankömmling noch vor mir; er erstarrte sichtlich, und bevor er sich rühren konnte, ließ der kreischende Aufschrei einer Frau aus den hinteren Reihen das Publikum aufspringen. Der Bursche war durch den Haupteingang hereingekommen, und als

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