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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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ich ihn entdeckte, rannte er durch den Mittelgang auf das Podium zu.
    Aber was war das? Er war nicht im Mittelgang, er war auf dem Podium … Nein, mitten im Saal … Sie waren mindestens zu sechst und trugen jeweils identische Gewänder und die gleichen, starren Masken. Als überall im Auditorium Priester auftauchten und durch den Saal eilten, verlor das Publikum die Nerven. Schreiend erkämpften sie sich einen Fluchtweg.
    Was auch immer Emerson erwartet hatte – damit hatte er nicht gerechnet. Stirnrunzelnd hob er Ramses von seinen Schultern und packte ihn sich unter den Arm.
    Ich hatte mich mit den anderen erhoben. Mit gezücktem Schirm verharrte ich in der Journalistenmeute, die zu einem der Ausgänge strebte. Die meisten von ihnen überragten mich mindestens um Haupteslänge, dennoch wanderte Emersons Blick unumwunden zu mir, und ein Schauer durchzuckte mich, als ich den Schmerz in seinen wachen blauen Augen bemerkte und den aussichtslosen Kampf, der ihn bewegungsunfähig machte.
    Kevins Arme umschlangen meine Taille und hoben mich hoch. »Halten Sie durch, Mrs. E., ich bringe Sie von hier fort«, schrie er.
    Für einen Augenblick verlor ich jegliche Orientierung, denn Kevin stürmte nicht zum nächsten Ausgang, der von flüchtenden Gästen blockiert war, sondern zu einem relativ ruhigen Platz in der Nähe des Podiums.
    Auf dem Podium selbst herrschte der Belagerungszustand.
    Die maskierten Gestalten hatten den Sarg umringt. Zu meiner Verblüffung schienen es Dutzende zu sein, und der alptraumhafte Effekt dieser Vervielfachung ist kaum vorstellbar. Mitten im Gefecht stand Emerson. Lediglich sein markanter Kopf war sichtbar, da er von wallenden, flatternden Baumwollgewändern umgeben war. Eine dieser grotesken Gestalten holte aus, traf seine Magengegend, und ich sah nur, wie mein heldenhafter Gatte mit voller Wucht zurückschlug. Wäre er nicht durch Ramses behindert gewesen, hätte er vielleicht die Oberhand gewonnen. Aber es waren zu viele für ihn; er kämpfte allein, die Ehrengäste und Budge hatten das Weite gesucht. Unter einem Gewirr von Stoff und Faustschlägen ging er zu Boden. Das Holzgestell schwankte. Mit einem lauten Krachen stürzte der Sarkophag, und sein gräßlicher Inhalt verteilte sich über den Boden, wo man auf ihm herumtrampelte.
    Ich stemmte mich gegen Kevins Arme. »Lassen Sie mich los. Lassen Sie mich sofort runter. Ich muß zu ihm. O gütiger Himmel, ich befürchte das Schlimmste!«
    Kevins Wangen waren vor Aufregung gerötet, und seine Lippen verzogen sich zu einem grimmigen Kampfeslächeln. »Bei Gott!« brüllte er. »Das ist Kampfgeist, Mrs. E. Die schnappen wir uns, was? Auf die O’Connells!«
    »Und die Peabodys«, kreischte ich und schwang meinen Schirm.
    »Und die Peabodys! Los geht’s!«
    Seite an Seite erkämpften wir uns den Weg auf das Podium. Eigentlich war der Kampf nicht unbedingt verzweifelt, da sich zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere kühlere Köpfe durchgesetzt und den Tumult mit Hilfe mehrerer kräftiger Männer geschlichtet hatten, bei denen es sich zweifellos um Beamte in Zivil handelte. Die Maskierten mußten diese ebenfalls bemerkt haben. Als wir am Kriegsschauplatz eintrafen, befand sich dort nur noch ein Kämpfer – mein Gatte. Ramses zähle ich nicht, der, geschützt von der stattlichen, am Boden liegenden Gestalt seines Erzeugers, heftig um sich trat und wüste Beschimpfungen in den Raum schmetterte.
    Kevin, der sich mit dem größten Dilemma eines Journalisten konfrontiert sah – mehrere Dinge geschahen gleichzeitig –, war sich zunächst unsicher, ob er wie die meisten seiner Kollegen die Verfolgung der Maskierten aufnehmen oder Emerson interviewen sollte. Mit gefällt der Gedanke, daß Höflichkeit und journalistischer Instinkt seine Entscheidung beeinflußten. Trotz meiner Proteste half er Emerson, sich aufzusetzen, denn meine medizinische Erfahrung warnte mich vor einer solch impulsiven Bewegung.
    »Du hast eine Kopfverletzung, Emerson«, entfuhr es mir, während ich ihn erneut zu Boden drückte. »Bleib liegen, bis ich mir Klarheit verschafft habe.«
    Emersons unwirsche Reaktion verschaffte mir Klarheit. »Hände weg, Peabody! Nur weil eine Horde armer, naiver Ägypter, die keinen Arzt zur Verfügung hat, dir gestattet, an ihnen herumzuexperimentieren – o verflucht! Ramses! Wo ist Ramses?«
    »Hier, Papa.« Ramses war verständlicherweise außer Atem, ansonsten bis auf einige wenige Kratzer und Beulen jedoch unverletzt. Er krabbelte zu Emerson.

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