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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Himmel«, entfuhr es mir. »Ich ging davon aus, daß Sie ein Mann sind.«
    »Ich bin genauso kompetent wie ein Mann«, lautete ihre hitzige Reaktion, die von einem mir beinahe ins Gesicht geschleuderten Notizbuch begleitet wurde. Sie hatte den Schirm an ihrem Gürtel festgekettet, um die Hände für ihre Schreibutensilien frei zu haben, und ich mußte die Genialität dieses Konzeptes bewundern, auch wenn mich ihr zuvor geschildertes Verhalten zutiefst abstieß. »Sagen Sie, Mrs. Emerson«, fuhr sie wie aus der Pistole geschossen fort, »arbeiten Sie gemeinsam mit Scotland Yard an dem Mordfall?«
    »An welchem Mordfall? Es gibt keinerlei Hinweis –«
    »Amelia!« Emerson hatte sich von der erstaunlichen Entdeckung erholt, daß es sich bei dem hartnäckigen Reporter um eine Frau handelte – denn das war meine Erklärung für seine Erwähnung des Begriffs »ungewöhnlich«. Jetzt packte er mich am Arm und versuchte, mich hinter den Zaun zu ziehen. Da das Tor nach wie vor geschlossen war, gelang ihm das nicht. »Sprich nicht mit dieser … dieser Person«, drängte er. »Äußere kein Sterbenswort. Selbst ein >Ja< oder >Nein< wird von diesen Aasgeiern – Verzeihung, junge Dame – falsch zitiert, und du weißt um deinen unseligen Hang zur Geschwätzigkeit –«
    »Ich darf doch sehr bitten, Emerson!« entfuhr es mir. »Aber das werden wir an anderer Stelle vertiefen. Ich habe nicht die Absicht, ein Interview zu geben; im Gegenteil, ich wehre mich dagegen, vor meiner eigenen Haustür belagert und aufgehalten zu werden. Allerdings muß ich darauf hinweisen, daß ich ohnehin nicht eintreten kann, solange du das Tor nicht öffnest.«
    Während ich sprach, hatte ich mich zwischen Emerson und Miss Minton geschoben. Sie sah sich zum Rückzug gezwungen, da sie Verletzungen aufgrund der Spitzen meines geöffneten Schirms vermeiden wollte, doch sobald sie einen gewissen Sicherheitsabstand gewonnen hatte, blieb sie hartnäckig stehen und wiederholte ihr Anliegen. Jetzt konnte ich ihr Gesicht deutlicher erkennen. Sie war jünger, als ich erwartet hatte, und keine unbedingte Schönheit. Ihre Gesichtszüge waren eher streng, ihre Brauen dicht und bedrohlich, und ihr energisches Kinn wirkte maskulin. Die Kämme und Haarnadeln, die ihr kräftiges schwarzes Haar hatten bändigen sollen, hatten den Kampf verloren; feuchte Locken ringelten sich über ihre Ohren.
    Fluchend (allerdings muß ich ihm zugestehen, leise fluchend) machte sich Emerson an dem Riegel zu schaffen. Miss Minton hatte sich sprungbereit auf Zehenspitzen gestellt, und ich glaube, sie wäre uns allen Ernstes zur Haustür gefolgt, wenn sie nicht anderweitig abgelenkt worden wäre.
    Ich war die erste, die die gräßliche, die unglaubliche Vision wahrnahm, und mein überraschter und fassungsloser Aufschrei sorgte dafür, daß sich Miss Minton umdrehte und Emerson aufblickte. Für einen Moment blieben wir drei wie erstarrt stehen; denn die von uns bemerkte Gestalt, die sich gemessenen Schrittes über den gegenüberliegenden Gehsteig fortbewegte, war die eines altägyptischen Priesters in langer weißer Robe und Leopardenfell. Wie eine schwebende Mumienumhüllung umgaben bleiche Nebelschwaden sein Gewand, und das Laternenlicht schimmerte auf den schwarzen Wellen seiner Lockenperücke. Er schritt durch den dichter werdenden Nebel und verschwand.

3
     
    Miss Minton bewegte sich als erste. Mit dem Jaulen eines gehetzten Hundes nahm sie die Verfolgung auf, während ihr Regenschirm ständig auf dem Pflaster aufprallte.
    Ich wollte ihr folgen, doch Emersons Finger umklammerten meine Schultern und drückten mich unsanft gegen die Eisenstäbe des Zauns.
    »Untersteh dich, Peabody«, zischte er. »Wenn du auch nur einen Schritt wagst – einen einzigen Schritt –, dann werde ich …« Schließlich gelang es ihm, das Eisentor zu öffnen, so daß mir der Rest der Drohung erspart blieb. Entschlossen riß er mich an sich; dann führte er mich schnellen Schrittes zum Haus. Er blieb merkwürdig einsilbig, und aus reiner Vorsicht hätte ich ebenso handeln sollen; dennoch bekenne ich voller Stolz, daß mich Vorsicht noch nie davon abgehalten hat, das einzig Richtige zu tun.
    »Emerson!« schrie ich, während ich mich seiner stählernen Umklammerung zu entwinden versuchte. »Emerson, überleg doch! Sie besitzt zwar Charaktereigenschaften, die ich bei einer eigenen Tochter sicherlich nicht gutheißen würde, aber sie ist jung – impulsiv – eine Frau! Willst du zulassen, daß sie sich

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