Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
Vom Netzwerk:
Erscheinung als beeindruckend zu bezeichnen. Die Zuschauer waren in Ehrfurcht erstarrt. Als der Mann sich bewegte, wichen sie so andächtig vor ihm zurück, wie man vielleicht den Priestern oder Königen längst vergangener Zeiten einen Weg gebahnt hätte. Weder nach rechts noch nach links blickend, schritt er weiter, bis er vor dem Mumienschrein stand.
    Die Dame namens Henutmehit hatte einen guten Geschmack für ihren Sarkophag bewiesen. Statt mit bunten, oftmals abstoßenden Götter- und Dämonenbildern bemalt, war ihr Sarg in einem weichen Goldton gehalten – was zu der Mutmaßung führte, ob die Sarkophage hochgestellter Persönlichkeiten nicht vielleicht komplett aus diesem kostbaren Edelmetall hergestellt worden waren. (Eine leider nicht belegbare Spekulation, da entsprechende königliche Sarkophage noch nie entdeckt worden sind und dies aufgrund der Umtriebigkeit der frühzeitlichen Grabräuber auch eher unwahrscheinlich ist.)
    Wesentlich sachdienlicher war vielleicht die offensichtliche Tatsache, daß es sich um den Sarg einer Person handelte, die lediglich über bescheidene Mittel und einen unbedeutenden gesellschaftlichen Rang verfügt hatte. Sie trug weder eine Krone noch die Uräusschlange oder andere königliche Insignien. Der um ihr schwarzes Haar gewundene Kranz war mit einer schlichten Lotusblüte geschmückt.
    Nach einer tiefen Verbeugung blieb der Priester bewegungslos stehen und starrte unentwegt auf das ernste Gesicht der Henutmehit. Die Szene hatte etwas Ergreifendes, doch Emerson, den so leicht nichts umhaut, langweilte sich zu Tode. Er wandte sich an den jungen Wilson und sagte laut: »Diese Vorstellung ist ja noch stumpfsinniger als die erste. Warum halten Sie sich nicht an Ihren Auftrag, Wilbur? Packen Sie sich diesen Irren, reißen Sie ihm die Maske runter, stellen Sie seine Identität fest, und händigen Sie ihn den Verantwortlichen der Klapsmühle aus, aus der er entflohen ist.«
    Doch Wilson rang nur die Hände und murmelte verzweifelt vor sich hin. Einer der Aufseher trat zu Emerson. »Der arme Kerl tut doch nichts Böses, Professor, steht nur da rum, wie Sie sehen. Klar, wenn Sie wollen, daß ich den Saal räumen soll –«
    »Es besteht absolut kein Grund zum Eingreifen, Smith«, erwiderte Emerson. »Wenn ich will, daß ein Saal geräumt wird, erledige ich das selbst.«
    Die maskierte Gestalt drehte sich um und gestikulierte mit ihrer Hand. Nach der längeren Reglosigkeit war diese Bewegung so verblüffend, daß die ihm am nächsten Stehenden erschrocken zurückwichen. Eine brüchige Stimme murmelte leise:
    Sie schützte den Bruder,
    vertrieb den Feind,
    lähmte den Finger des Bösen
    durch ihre Kraft.
    »Was zum Teufel«, knurrte Emerson. »Peabody, ist das –«
    Doch der Darsteller war noch nicht fertig. Seine Stimme wurde schneidender. »Die Kluge, deren Zunge nie versagt. Bewundernswert … bewundernswert ihre …«
    Scheinbar unentschlossen verstummte die Stimme. Ich hielt den Atem an. Welche erhabene und eindringliche Warnung würde die Stille durchbrechen?
    Die Stimme, die das Schweigen brach, war weder erhaben noch eindringlich, sondern dünn und schrill. »Bewundernswert ihre Worte des Befehls«, kreischte Ramses. »Mächtige Isis, sie schützte –«
    Emerson brach in schallendes Gelächter aus. »Mächtige Isis? Nein, bei Gott – er meint dich damit, Peabody! Die Kluge … hahaha! Deren Zunge … nie versagt …« Er hielt sich den Bauch vor Lachen.
    Ich packte Ramses am Kragen. »Wohin willst du? Bleib bei Mama.«
    »Aber er entkommt uns doch sonst!« schrie Ramses.
    So war es. Der »Priester« bewegte sich überraschend flink, seine Sandalen klapperten über den Steinboden, bis er schließlich den Durchgang erreichte und verschwand.
    »Was soll’s«, sagte ich. »Was hat dich denn dazu bewogen, diesem Burschen zu soufflieren wie ein Regisseur einem vergeßlichen Schauspieler?«
    »Ich hatte den Eindruck, ihm sei der Text entfallen«, erklärte Ramses. »Er rezitierte die >Hymne an Osiris<, und er –«
    »Was soll’s«, sagte ich. »Emerson, du gibst dich der Lächerlichkeit preis. Der Verrückte ist entkommen!«
    »Laß ihn doch.« Emerson seufzte. »Ich empfinde eine große Sympathie für den Burschen. Offensichtlich verfügt er über Witz und Verstand. O gütiger Himmel! >Deren Zunge nie versagt …«
    »Ein überaus nettes Kompliment«, meinte Walter, während seine Lippen verräterisch zuckten. (Emersons zwar unpassendes Gelächter wirkte zugegebenermaßen

Weitere Kostenlose Bücher