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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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war absolut erstaunlich, welche Lautstärke ihr hysterisches Kreischen annahm. Zum ersten Mal bemerkte ich eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrem Vater, denn ihr rotes, rundliches Gesicht war in Tränen aufgelöst, die ihr über die Wangen liefen und ihren Spitzenkragen durchnäßten. »Tot, tot!« schrie sie unaufhörlich. »Oh, oh, tot, oh, tot, tot …« Mit flatternden Schürzenbändern eilte Rose die Treppe hinunter, und ich wies sie an, sich um Violet zu kümmern, die sich hemmungslos schluchzend auf den Boden geworfen hatte.
    Da Percy der einzige war, der vernünftig blieb, verlangte ich von ihm eine Erklärung; denn obgleich ich mit jeder Faser meines Herzens meinem Kind zu Hilfe eilen wollte, konnte ich kein Heilmittel anwenden, solange ich nicht die Ursache für seinen Zustand in Erfahrung gebracht hatte. Percy hatte sein Schuldbewußtsein mannhaft unter Kontrolle; mit gestrafften Schultern und gefalteten Händen ließ er mich keine Sekunde lang aus den Augen. »Es war mein Fehler, Tante Amelia. Ich kann es nicht leugnen. Schlag mich, zieh mir die Ohren lang, peitsche mich aus – oder vielleicht sollte Onkel Radcliffe das übernehmen, er ist stärker. Ich verdiene es, bestraft zu werden. Mich allein trifft die Schuld, ich hätte es besser wissen sollen …«
    Ich packte ihn und schüttelte ihn. »Was hast du gemacht?«
    »Der Kricketball hat ihn geradewegs in der Magengegend getroffen, Tante Amelia. Ich versuchte, Ramses zu zeigen, wie man mit dem Schlagholz umgeht, und –«
    Erneut wandte ich mich meinem Sohn zu. Zu meiner Erleichterung hatten seine Augen wieder ihre ursprüngliche Stellung angenommen, wenn er auch noch leicht schielte, und sein Atem ging gleichmäßiger. Ein harter Schlag in den Solarplexus kann schmerzhaft und unangenehm sein, aber er ist zumindest bei Jugendlichen selten tödlich; ich erinnerte mich nur zu gut, daß ich in meiner Kindheit ähnliche Symptome gezeigt hatte, nachdem mich James mit einem Stein von beachtlicher Größe beworfen hatte. (Papa erzählte er, daß ich gestolpert und hingefallen sei.)
    »Er erholt sich rasch wieder«, sagte ich, während ich erleichtert aufatmete. »Bringen Sie ihn nach oben ins Bett, John. Percy, wie konntest du nur so unvorsichtig sein?«
    Percys Lippen zitterten, dennoch antwortete er mir mit leiser, fester Stimme. »Ich übernehme die volle Verantwortung, Tante Amelia. Meine Hände sind abgeglitten … aber das ist beileibe keine Entschuldigung.«
    Hinter mir hörte ich ein seltsam klägliches Murmeln. »Die Fähigkeit … den Weg eines geschleuderten … oder mit einem Schlagholz beförderten … Projektils zu berechnen … steht nicht immer in der Macht …«
    »Ganz recht, Ramses«, bemerkte ich und strich meinem Sohn das Haar aus seiner verschwitzten Stirn. »Es war ein Unfall, und ich habe Percy unrecht getan. Aber warum zum Teufel konntest du das nicht gleich sagen, statt in einen deiner unsäglich langatmigen Monologe zu verfallen? Wenn man bedenkt, daß du immer noch sehr kurzatmig bist –«
    »Unter gewissen Umständen allerdings …«, jammerte Ramses.
    »Genug jetzt, Ramses! Nach oben mit ihm, John. Ich komme sofort.«
    John gehorchte, Rose führte die schluchzende Violet weg, und ich richtete meine Aufmerksamkeit auf Percy, der – stramm wie ein kleiner Zinnsoldat vor mir stehend – seiner Strafe harrte. Er zuckte merklich zusammen, als ich meine Hand auf seine Schulter legte, und ich beeilte mich, ihn zu beruhigen.
    »In diesem Haus wird niemand geschlagen oder ausgepeitscht, Percy – kein Mensch, kein Tier und schon gar kein Kind. Was passiert ist, war ein unglücklicher Zufall, und es war mutig von dir, die gesamte Schuld auf dich zu nehmen.«
    Der erstaunte Blick des Jungen demonstrierte mir, daß er es nicht gewohnt war, von Erwachsenen freundlich und verständnisvoll behandelt zu werden. Das bestärkte mich in dem Entschluß, ihm die Vorzüge unserer Kindererziehungsmethoden gegenüber denen seiner Eltern zu beweisen.
    Gegen Ende der Woche wurde ich bereits pessimistischer hinsichtlich der positiven Wirkung wohlerzogener Kinder auf Ramses. Percy streifte trübsinnig um das Haus herum; darauf angesprochen, gestand er, sich einsam zu fühlen, nicht nur wegen »der geliebten Mama und dem geliebten Papa«, sondern auch wegen seiner Spielgefährten. Ramses wolle nicht mit ihm spielen. Ramses – so bemerkte Percy traurig – würde ihn nicht mögen.
    Ich nahm Ramses beiseite und hielt ihm einen kurzen Vortrag zur

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