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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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deshalb trug er lediglich ein Oberhemd ohne Krawatte oder Weste. Sein Haar war zerzaust und sein Gesicht mit Tintenspritzern übersät, ein untrügliches Zeichen für einen verzweifelten (aber auch siegreichen) Kampf mit seiner zähen Prosa. Seine blauen Augen funkelten, seine Brauen waren zusammengezogen, und ein cholerischer Anflug färbte seine markanten, gebräunten Wangen zunehmend rosiger.
    »Ah«, sagte er gnädig. »Dacht’ ich mir’s doch, daß ich Ihre Stimme gehört habe, Mr. O’Connell.«
    Kevin suchte hinter dem Sofa, einem massiven Möbelstück aus geschnitztem Rosenholz mit weinrotem Plüschpolster, Zuflucht. Nach einem höflichen Nicken zu Miss Minton wandte sich Emerson mir zu. »Amelia, warum sitzt Wilkins eigentlich auf dem Boden der Eingangshalle?«
    »Ich habe keine Ahnung, Emerson. Warum fragst du ihn nicht selbst?«
    »Er scheint sprachlos zu sein«, erwiderte Emerson.
    »Ich habe ihn nicht angerührt«, entfuhr es Kevin. »So wahr mir Gott helfe, ich würde mich doch nicht an dieser alten Seele vergreifen.«
    »Sie haben ihn nicht angerührt«, wiederholte Emerson. Er fing an, seine Ärmel hochzurollen.
    »Nein, Emerson, nein!« schrie ich, ihn umklammernd, während er auf den hinter dem Sofa kauernden Journalisten losging. »Wenn du ihn tätlich angreifst, wirst du Mr. O’Connell lediglich die Story liefern, die er sich brennend wünscht.«
    Dieses Argument übte eine größere Wirkung auf Emerson aus als meine physischen Anstrengungen. »Du hast wie immer recht, Peabody«, meinte er. »Aber sorge bitte dafür, daß dieser Bursche umgehend aus meinem Haus verschwindet. Ich bin der gelassenste aller Männer, aber auch mein ausgeglichenes Naturell gerät bei einer solchen Provokation ins Wanken. Die Dreistigkeit, in das Haus eines Mannes einzudringen, um dessen Ehefrau auszuhorchen –«
    »Es ist nicht so, wie du vielleicht denkst, Emerson«, erklärte ich. »Es gab einen weiteren Mordfall!«
    »Einen weiteren Mordfall, Peabody?«
    »Ja. Mr. Oldacre, der Assistent in der Orient-Abteilung.«
    »Oldacre? Ich kannte ihn. Ein hirnrissiger Idiot, wie vermutlich alle Protegés von Budge … Was ist passiert?«
    Ich erklärte es ihm. Emerson lauschte höflich. »Eine traurige Geschichte. Aber das hat uns nicht zu interessieren. Komm, wir verabschieden uns von diesen jungen Leuten und wenden uns wieder unserer Arbeit zu.«
    Unser Mobiliar als Deckung benutzend, hatte sich Kevin auf Zehenspitzen zur Tür gestohlen. Er kannte Emerson nur zu gut und ließ sich von der trügerischen Sanftmut meines impulsiven Gatten nicht beeindrucken. Emerson beobachtete ihn aus den Augenwinkeln; obgleich sein Gesicht unnatürlich ernst blieb, zuckten seine Mundwinkel verräterisch und deuteten auf seine unterschwellige Belustigung hin. An der Türschwelle blieb Kevin stehen.
    »Ja, Mr. O’Connell?« fragte Emerson.
    »Ich … äh … ich warte darauf, daß ich Miss Minton begleiten kann … das heißt, ich hatte gehofft, daß sie mich vielleicht zum Bahnhof mitnimmt.«
    »Ach ja, Miss Minton.« Emersons Blick wanderte zu der jungen Dame. Nervös richtete diese ihren Hut. »Ich begreife, wie Mr. O’Connell in mein Haus eindringen konnte«, fuhr Emerson fort. »Mit roher Gewalt, die er gegenüber einem Mann anwandte, der sein Großvater sein könnte. Ein hervorragendes Beispiel für seine irische Kinderstube, was, Peabody? Aber Sie, Miss Minton; wie ist es Ihnen denn gelungen, von Wilkins vorgelassen zu werden? Ich bin mir nämlich sicher, daß Mrs. Emerson Sie nicht empfangen hätte, wenn er ihr Ihre Karte überreicht hätte.«
    »Du hast ganz recht, Emerson«, versicherte ich. »Miss Minton hat sich geweigert, ihm ihren Namen zu nennen. In irgendeiner Form – ich kann mir zwar nicht vorstellen, wie – hat sie Wilkins davon überzeugt, daß ihr Anliegen dringlich sei.«
    »Du kannst es dir also nicht vorstellen«, erwiderte Emerson nachdenklich. »Aber ich glaube, daß ich eine Vermutung habe. Diese ach so hilfreiche Ähnlichkeit … Was haben Sie Wilkins erzählt, Miss Minton? Daß Sie Mrs. Emersons seit langem vermißte Schwester seien oder das verschwiegene Resultat eines jugendlichen Fehltritts –«
    Miss Mintons wütende Retourkutsche war kaum lauter als meine. »Emerson, wie kannst du es wagen!«
    » Ein früher jugendlicher Fehltritt«, beeilte sich Emerson hinzuzufügen. »Nun, Miss Minton?«
    »Ich habe nichts dergleichen gesagt«, erwiderte Miss Minton. »Falls Ihr Butler falsche Schlüsse gezogen

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