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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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auch keineswegs erwartet hatte, begab ich mich ohne Umschweife zu den ägyptischen Ausstellungsräumen im Obergeschoß.
    Der zweite ägyptische Saal war noch überfüllter als bei meinem ersten Besuch. Das Gedränge war kosmopolitisch (und sogar polyglott, da ich den Turban des einen oder anderen Hindus bemerkte, und die Dialekte aus Yorkshire, Schottland und anderen entlegenen Gegenden kann man wohl kaum als Englisch bezeichnen). Modisch gekleidete Damen flüsterten und kicherten hinter vorgehaltener, behandschuhter Hand, Seite an Seite mit souveränen Geschäftsleuten und unauffälligen, gepflegt gekleideten Angestellten. Es gab eine Reihe von Kindern und einige Personen, die der untrügliche Stempel des Journalismus prägte; und auch einen Fotografen, von dem lediglich seine Beine unter dem schwarzen Kameratuch hervorlugten. Es bedurfte nicht unbedingt messerscharfer Logik zu der Schlußfolgerung, daß irgend etwas Außergewöhnliches im Gange war.
    Den berühmt-berüchtigten Mumienschrein zu sehen, geschweige denn, an ihn heranzukommen, gestaltete sich als unmögliches Unterfangen. Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge, bis ich zu einem dunkelhäutigen Herrn mit violettem Turban und riesigem, schwarzem Vollbart vorgedrungen war.
    »Hallo, Peabody«, sagte er. »Was machst du denn hier?«
    »Dasselbe könnte ich dich fragen, Emerson.«
    »Nun, ich sah die Ankündigung in der Zeitung, wie du vermutlich auch. Mr. Budge wird einen Vortrag halten. Wie könnte ich einer solchen Gelegenheit widerstehen, mein Verständnis der Ägyptologie zu optimieren?«
    Der gräßliche Sarkasmus in seiner Stimme läßt sich kaum wiedergeben.
    Ich erwiderte: »Davon einmal abgesehen, Emerson, könnte ich dich fragen, was dich zu dieser ungewöhnlichen Verkleidung veranlaßt hat. Der Bart wirkt irgendwie übertrieben, findest du nicht auch?«
    Liebevoll strich Emerson über besagtes Accessoire. Als ich ihm zum ersten Mal begegnete, hatte er einen Bart getragen; auf mein Drängen hin hatte er ihn schließlich abrasiert, trotzdem hatte ich mich immer wieder gefragt, ob er ihn vermißte.
    »Das ist ein Prachtexemplar von einem Bart, Peabody. In diesem Fall dulde ich keinerlei Kritik.«
    »Du willst dich Mr. Budge nicht zu erkennen geben, ist es das?«
    »Ach, komm, Peabody, laß uns nicht zanken«, brummte Emerson. »Ich bin aus dem gleichen Grund hier wie du. Der Verrückte wird sicherlich bald auftauchen; er hat die Zeitung ebenfalls gelesen und wird einer solchen Konfrontation nicht widerstehen können. Ich werde mir den Burschen schnappen und diesen ganzen Unsinn beenden.«
    »Der Bart ist bestimmt eine große Hilfe, Emerson.«
    Emerson blieb mir eine Antwort schuldig, da leises Hüsteln am Ende des Saales auf das Eintreffen von Mr. Budge hindeutete. Er war umringt von Aufsehern, die auf unhöflichste Art und Weise für einen Freiraum zwischen der Ausstellungsvitrine und der Kamera sorgten. Mr. Budge setzte sich in Pose; ein Blitz und eine sich daran anschließende Rauchwolke dokumentierten die Fotoaufnahme.
    Man konnte nur hoffen, daß sie ihm schmeichelte. Zu jenem Zeitpunkt war er Ende Dreißig, wirkte jedoch älter. Um es mit den Worten eines unserer amerikanischen Kollegen auszudrücken (Mr. Breasted aus Chicago, den Emerson für einen der vielversprechendsten Ägyptologen der jüngeren Generation hielt), war Budge »feist, faul und verlogen« und sein Händedruck »so angenehm warm wie ein Fischschwanz«. Zu Schlitzen verengte, kalte Augen beobachteten hinter dicken Brillengläsern mißtrauisch das Weltgeschehen. Seine Vorgesetzten behandelten ihn mit einer Mischung aus Anerkennung und Ablehnung; Anerkennung, weil er die Museumssäle mit auserlesenen Objekten bestückte; Ablehnung, weil ihn seine Methoden des Erwerbs bei sämtlichen ehrbaren Mitgliedern der archäologischen Gesellschaft in Mißkredit brachten. Zu praktisch jedem wissenschaftlichen Thema – egal, ob nun Assyriologie oder Ägyptologie – hatte er maßgeblich und inkompetent veröffentlicht. Die Geschichten um seine dubiosen Praktiken reichten von Bestechung und gefälschten Zollausfuhrerklärungen bis hin zu regelrechtem Diebstahl, was auf dem gesamten Fachsektor der Orientalistik immer wieder für Gesprächsstoff sorgte.
    Dieser Mann trat soeben mit einer Ausarbeitung zur Mumifikation im alten Ägypten vor sein Publikum.
    Der Vortrag bestand aus der mir bei Budge vertrauten Mischung von vorgeschobener Gelehrsamkeit und Prahlerei. Wiederholt bezog er sich auf

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