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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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das Abendessen fast beendet hatten.
    »Obwohl ich Ramses’ Interesse an solchen Dingen zutiefst verabscheue, besitzt er doch ein gewisses – vermutlich ererbtes – kriminalistisches Gespür«, bemerkte ich. »Emerson, ist dir aufgefallen, daß er die gleiche Theorie vertritt wie ich?«
    Emerson rückte gerade einem ziemlich zähen Stück Fleisch zu Leibe. Das Messer rutschte ab, und das Fleisch fiel zu Boden.
    »Schade, daß die Katze Bastet nicht hier ist, um sich der Sache anzunehmen«, erklärte er, während er Gargery beobachtete, der unter den Tisch kroch, um die Bratenscheibe aufzuheben. »Hast du irgend etwas von ihr gehört, Peabody?«
    »Noch nicht. Ich hatte Rose gebeten, uns ein Telegramm zu schicken, sobald sie wieder auftaucht. Versuch nicht, das Thema zu wechseln, Emerson. Das lasse ich nicht zu. Dafür ist die Lage einfach zu ernst.«
    »Du bist doch diejenige, die mir ständig erklärt, daß man in Gegenwart von Bediensteten keine ernsthafte Diskussion führt«, konterte Emerson. »Das habe ich schon immer für eine unsinnige Regel gehalten. Unser Gargery ist wie jeder andere Mensch an einem vernünftigen Gespräch interessiert, nicht wahr, Gargery?«
    »Ah – gewiß, Sir«, erwiderte der Butler auf seinem Weg zur Anrichte.
    »Ich habe schon längst die Hoffnung aufgegeben, dich von korrekten Umgangsformen zu überzeugen, Emerson«, sagte ich. »Und unter den derzeitigen Umständen sollten solche Regeln gelockert werden. Wenn ich an die Gefahr denke, die dich bedroht –«
    »Ach, Unsinn, Peabody!« brüllte Emerson. »Die Theorie von einem Mordfanatiker ergibt keinen Sinn, ob sie nun von Ramses stammt oder von dir. Zwei Todesfälle, davon ein natürlicher Tod, begründen doch keine Mordserie!« Dann fügte er mit einem Blick in Gargerys Richtung hinzu: »Gargery, schenken Sie Mrs. Emerson keine Beachtung. Sie ist immer so. Ich befinde mich absolut nicht in Gefahr.«
    »Ich bin … ich bin erleichtert, das zu hören, Sir«, erwiderte Gargery mit ernster Stimme. »Möchten Sie noch etwas Roastbeef, Sir?«
    Emerson bediente sich. »Der Priester hatte nichts mit dem Mord an Oldacre zu tun«, verkündete er. »Ein Mann wie er muß Dutzende von Feinden gehabt haben. Ich mochte ihn auch nicht. Und was die Vorfälle im Museum anbelangt, so handelt es sich entweder um die Anwandlungen eines Geistesgestörten oder um ein abgekartetes Spiel.«
    »Ah«, murmelte ich. »Diese Idee ist dir also auch schon gekommen?«
    »Jetzt behaupte nur noch, daß du gleich daran gedacht hast«, brummte Emerson. »Typisch für dich. Aber das kannst du gar nicht, Peabody, da es mir erst dämmerte, nachdem ich begriff, daß Lord St. John damit zu tun hat. Das ist genau die Sache, die einem degenerierten Adligen wie ihm Spaß macht. Du weißt doch, wer er ist, oder?«
    Da die Frage rein rhetorischer Natur war, blieb ich ihm die Antwort schuldig, woraufhin mir Emerson in kurzen Zügen die Biographie Seiner Lordschaft umriß. Selbst wenn ich über die von meinem Gatten gehegten Vorurteile und Übertreibungen hinwegsehe, handelte es sich um ein abstoßendes Bild, das nicht ohne Tragik war. Gutaussehend, reich und überaus intelligent hatte man Lord St. John für einen vielversprechenden jungen Mann gehalten. Seine Universitätslaufbahn war untadelig gewesen – mit Ausnahme einiger Eskapaden und schlechter Scherze (wie die Dekoration öffentlicher Plätze mit gewissen Hygieneartikeln), was selbst für einen jungen Mann aus gutem Hause normal ist; und in ’84 hatte er im Feldzug von Khartum seinen Militärdienst mit Auszeichnung absolviert. Dann geriet er in den Einfluß einer gewissen Gruppe, die mit dem aristokratischen Nichtsnutz und Thronfolger Prinz Albert Victor von Wales sympathisierte. Der frühe Tod des Prinzen erfüllte die Nation sowie seine Eltern mit Trauer, aber auch mit Erleichterung; denn es ist kein Geheimnis (daher meine fehlende Zurückhaltung gegenüber diesem Thema), daß Prinz »Eddys« Verhalten die schwerwiegendsten Zweifel an seiner Befähigung zum Regenten aufkommen ließ.
    Nach dem Tod des Prinzen in ’92 hatte Lord St. John den jungen Grafen (damals Vicomte Blackpool) in seinen »Zirkel« gelockt. Das Resultat (so Emerson) hatte ich selbst gesehen. Es gab kein Laster, ob natürlich oder unnatürlich, das der junge Mann nicht von seinem machiavellistischen Mentor kennenlernte.
    »Natürlich oder unnatürlich«, wiederholte ich. »Um ganz ehrlich zu sein, Emerson, sehe ich da im Hinblick auf das Laster

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