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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Wimmern war die einzige Reaktion, als die kleine Hand Emersons Spende fest umschloß. Leise fluchend begleitete mich Emerson in Richtung Haus.
    »Jaja«, stimmte ich ihm zu. »Das ist eine traurige Welt, Emerson. Man kann nur hoffen, daß es für diese Menschen irgendwo eine bessere gibt.«
    »Humbug«, schnaubte Emerson.
    »Das sagst du, mein Lieber, aber selbst du bist dir da nicht sicher. Wenigstens bekommt ein kleiner Kerl heute abend ein warmes Essen und ein Nachtlager. Wie spät es schon ist! Unsere lieben Kleinen warten sicherlich auf den Tee. Wir müssen Gott dankbar sein und das auch den Kindern vermitteln.«
    Doch im Salon erwarteten uns lediglich zwei unserer lieben Kleinen. Violets ausladendes Rüschenkleid und die riesige Schärpe ließen sie fast so breit wie lang erscheinen. Bei unserem Eintreten sprang Percy auf. »Guten Abend, Sir. Guten Abend, Tante Amelia.«
    »Guten Abend, Percy«, erwiderte ich. »Es tut mir leid, daß wir uns verspätet haben. Mrs. Watson, würden Sie dafür sorgen, daß eines der Mädchen Ramses ruft?«
    Die Haushälterin rang ihre Hände. »Oh, Madam –«
    »Ah«, sagte ich. »Er ist erneut verschwunden, nicht wahr?«
    »Ich kann mir nicht erklären, wie er ins Freie gelangt sein soll«, murmelte die arme Frau. »Ständig hatte ich ein Auge auf ihn – ich kenne doch die Tricks dieses lieben Jungen –«
    »Meine liebe Mrs. Watson, Ramses ist schon gewiefteren Haushälterinnen als Ihnen entwischt«, versicherte ich ihr. »Emerson, setz dich, und rauf dir nicht ständig die Haare.«
    »Ich werde mich nicht setzen«, erwiderte Emerson wütend. »Begreife doch, Amelia, deine Gelassenheit ist völlig fehl am Platz. Ich weiß, Ramses hat das schon häufiger gemacht, ohne daß ihm irgend etwas zugestoßen wäre, aber einmal ist immer das erste Mal, und diese verfluchte Großstadt –«
    »Ich breche besser auf, um ihn zu suchen.« Ich erhob mich. »Nimm ein Gurkensandwich, Emerson, das beruhigt.«
    Natürlich folgte mir Emerson genau wie die anderen in die Eingangshalle. Bei meinem Auftauchen öffnete der Butler die Tür; er versuchte mir meinen Mantel zu reichen, doch ich schob ihn beiseite.
    Ich hatte gerade rechtzeitig reagiert; das arme, bettelnde Kind war nicht entkommen, sondern befand sich in den Klauen eines hünenhaften Polizisten. Seine gekreischten Beschimpfungen vermischten sich mit dem Bariton des Polizeibeamten. »Ab mit dir, mein Junge, hier kannst du nicht bleiben. Autsch … oh, würdest du, würdest du kleiner Bengel …«
    »Wachtmeister!« rief ich, über den Gehsteig eilend. »Lassen Sie das Kind los!«
    »Aber Ma`am, er hat hier herumgelungert und nur darauf gewartet …«
    »Nein, ich vermute, daß er ins Haus zurückzugelangen versuchte«, erwiderte ich. »Ramses, hast du den Polizisten getreten?«
    »Ich sah mich gezwungen, ihn zu beißen, da ich keine Schuhe trage«, entgegnete Ramses.
    »Ach du meine Güte. Emerson, würdest du –«
    Wieder klingelten Geldmünzen. Der Wachtmeister berührte seine Mütze und entfernte sich kopfschüttelnd. Ich wollte meinen Sohn am Kragen packen, besann mich jedoch eines Besseren und winkte ihn zum Tor hinein, ohne ihn anzurühren. Bedrohlich schweigend kehrten wir zurück ins Haus.
    Im vollen Schein der künstlichen Beleuchtung war die Wirkung von Ramses’ Erscheinungsbild, gelinde gesagt, atemberaubend. Das mußte man ihm wirklich lassen, wenn er etwas machte, dann gründlich. Seine nackten Füße waren schwarz und blau – schwarz vor Dreck und blau angelaufen vor Kälte –, denn der Abend war empfindlich kühl geworden. Er trug die zerfetztesten Lumpen, die ich jemals gesehen hatte; die großen Löcher in Hemd und Hose klafften weit auf oder wurden von riesigen Sicherheitsnadeln notdürftig zusammengehalten. Seine gesamte Bekleidung war mit einer gräßlichen Mischung aus Regen, Ruß und Schmutz durchtränkt. Er roch genauso schrecklich, wie er aussah. Naserümpfend wich Mrs. Watson zurück.
    Ramses riß sich seine Kappe vom Kopf. (Es erfüllte mich mit Zufriedenheit, daß meine Vorträge hinsichtlich gepflegter Umgangsformen doch eine gewisse Wirkung zeigten.) Er griff in sein schmutziges Hemd, zerrte einen mitgenommenen Strauß Narzissen daraus hervor – die er zweifellos im Park stibitzt hatte – und trat auf Violet zu. »Die habe ich dir …«, hub er an.
    Violet schrak zurück und gestikulierte so heftig mit ihren Händen, als wolle sie einen Bienen- oder Wespenschwarm abwehren. Ihr Gesicht verzog sich zu

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