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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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keinen Unterschied.«
    Emerson warf mir einen frostigen Blick zu. »Dieser Unterschied muß dich auch nicht interessieren, Peabody.«
    »Ah«, sagte ich. »Ich glaube, ich verstehe. Meinst du, Emerson, daß Lord St. John der falsche Priester ist?«
    »Nein«, erwiderte Emerson zögernd. »Er kann es nicht sein. Kurz bevor der Priester den Saal betrat, bemerkte ich ihn im Publikum.«
    »Bist du sicher, daß er nicht entwischte und im letzten Moment in seine Verkleidung schlüpfte?«
    »Unmöglich, meine liebe Peabody. Schau her.« Emerson zog einen Bleistift aus seiner Jackentasche (wie üblich hatte er sich geweigert, sich zum Abendessen umzuziehen) und fing an, auf das Tischtuch zu zeichnen. »Das Gewand würde vieles überspielen, einschließlich der Hose, denn es war bodenlang. Die Ärmel reichten bis zum Ellbogen; Jacken- und Hemdärmel hätte man aufrollen und darunter verbergen können. Diese Vorbereitungen dauerten lediglich wenige Sekunden, doch dann mußte er sich das Leopardenfell umlegen, die Maske überstreifen, Schuhe und Socken ausziehen und gegen Sandalen austauschen.«
    »Ja«, pflichtete ich ihm bei. »Eigentlich war es gar keine schlechte Kopie für eine Bekleidung aus der 19. Dynastie. Nur daß das Original aus durchsichtigem Stoff gewesen wäre; und die Perücke wird selten bei Priesterdarstellungen beobachtet, da diese normalerweise ihre Köpfe kahlschoren.«
    »Offensichtlich galt diese Abweichung der besseren Tarnung«, erwiderte Emerson ungnädig. »Und im Gegensatz zu Budge und dieser vielzitierten Autorität Herodot, der die Sitten und Gebräuche besagter Ära zweitausend Jahre später und nicht immer exakt beschrieb – was wollte ich gerade sagen?«
    »Daß es Darstellungen gibt, auf denen Personen sowohl das Gewand des Seth-Priesters als auch eine auffällige Perücke tragen«, erwiderte ich. »Ist ja auch unbedeutend; wie du schon sagtest, die Authentizität ging auf Kosten des praktischen Nutzens,«
    »Korrekt. Dennoch läßt sein Verhalten auf eine gewisse Kenntnis schließen, Peabody. Hast du zufällig gehört, was er zu der Mumie gesagt hat?«
    Da ich bemerkte, daß Gargery allem Anschein nach das Servieren des Essens eingestellt hatte und daß er, über Emersons Schulter gebeugt, versuchte, einen Blick auf dessen Zeichnungen auf dem Tischtuch zu erhaschen, regte ich an, daß wir uns in den Salon zurückziehen sollten. Tapfer verbarg Gargery seine Enttäuschung.
    Nachdem wir uns gemütlich niedergelassen hatten, beantwortete ich die mir von Emerson zuvor gestellte Frage.
    »Nein, ich habe nicht gehört, was der Verrückte zu der Mumie gesagt hat. Der Lärm war einfach zu groß.«
    »Aber ich stand in seiner Nähe«, erwiderte Emerson. »Und wie du weißt, kann ich hervorragend von den Lippen ablesen. So lautet meine genaue Wiedergabe seiner Bemerkungen …«
    Da er kein Tischtuch zur Hand hatte und zu ungeduldig war, um Schreibutensilien zu holen, kritzelte er auf seine Manschette, wobei er die Hieroglyphen während der Niederschrift laut vorlas.
    »Hmhm«, bemerkte ich. »Sehr gut, Emerson. Aber warum sprichst du Altägyptisch, wenn der Priester doch Englisch sprach?«
    »Er sprach keineswegs Englisch, Peabody.«
    »Gütiger Himmel, wie erstaunlich. Aber das bedeutet – das heißt –«
    »Ich weiß nicht, was es bedeutet, Peabody, und du mit Sicherheit auch nicht.«
    »Zuerst sprach er Englisch.«
    »Korrekt. Sein Verhalten läßt in keinster Weise auf einen Irren schließen, was? Offensichtlich verfügt er über Kenntnisse in der Ägyptologie, aber soviel Information könnte sich auch jeder interessierte Laie aneignen, insbesondere dann, wenn er zeit seines Lebens eine Faszination für diesen Themenkreis hegte.«
    »Wie kompetent du dich auszudrücken verstehst, Emerson.« Ich ergriff seine Hand und drehte sie so, daß ich die Hieroglyphen erneut lesen konnte. »Das ist recht passables Ägyptisch.«
    »Eine einprägsame Floskel, Peabody. >Tausend Laibe Brot und tausend Krüge Bier für die Seele der Dame Henutmehit.< Die Standardphrase bei Grabbeigaben.«
    Seine Finger umklammerten meine und drückten sie. Diese zärtliche Geste – und sein Interesse an einer Sache, von der er zuvor geschworen hatte, sie nie wieder anzusprechen – überzeugten mich, ihm etwas anzuvertrauen.
    »Dabei handelt es sich vielleicht um eine Standardfloskel, aber hierbei nicht.« Ich griff in meine Jackentasche und zog die Kopie der Mitteilung daraus hervor, die man in der Hand des toten Oldacre

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