Amelia Peabody 05: Der Sarkophag
angelangt … Ach übrigens, wußtest du, daß einer unserer Journalistenfreunde bereits eine Story über die Reinkarnation des in die Prinzessin verliebten Priesters abgesondert hat? Ich war überaus geknickt, als ich sie las, da ich diese Idee für eine nicht unerhebliche Summe zu verkaufen hoffte.«
»Sei nicht albern, Emerson. Du schweifst vom Thema ab.«
»Stimmt«, bekräftigte Emerson. »Nun, es erscheint mir höchste Zeit, diesem Unsinn ein Ende zu bereiten, bevor noch jemand ernsthaften Schaden nimmt. Das Museum leidet natürlich am stärksten unter solchen Vorfällen; so inkompetent, wie es geleitet wird, wollen wir doch nicht, daß es ein Schauplatz für Chaos und Schmierentheater wird.«
»Ganz recht, Emerson. Aber was kann die Enthüllung der Mumie dabei bewirken?«
»Nun, sie erscheint mir die logischste Alternative, diesen absurden Spekulationen ein Ende zu bereiten. Wir werden erfahren, ob und welche Inschriften sich im Inneren des Sarkophags befinden; wir werden die verblichenen Überreste und das fleischlose Lächeln der unseligen Dame enthüllen. Wie du weißt, Peabody, ist auch von einer hervorragend präparierten Mumie nicht mehr viel erhalten. Die romantischen Phantasien um schöne Prinzessinnen müssen – genau wie das Fleisch der Dame – vor dem gnadenlosen Auge der Wissenschaft vergehen. Vielleicht hatte sie Karies, Peabody. Vielleicht war sie … eine alte Frau! Gibt es irgend etwas Abschreckenderes für die menschliche Emotion als eine alte, grauhaarige Frau mit Zahnproblemen?«
Ich legte meine Füße neben die Emersons auf den Kaminsims und ergriff seine Hand. »Emerson, ich habe es schon wiederholt zum Ausdruck gebracht und bekräftige es erneut – dein akademisches Renommee wird lediglich von deinem untrüglichen Gespür für die menschliche Psyche übertroffen. Brillant, mein Lieber – wirklich brillant!«
Wie ich herausgefunden habe, schätzen Ehemänner solche kleinen Komplimente. Emerson strahlte von einem Ohr zum anderen und küßte meine Hand.
Was ich aufgrund besseren Wissens verschwieg, war meine Vermutung, daß seine Motive nicht gänzlich altruistischer Natur waren. Im Hinblick auf Mumien ist Emerson keineswegs so begeistert wie ich hinsichtlich Pyramiden, dennoch schätzt er sie, und eine meiner frühen und glücklichsten Erinnerungen rankt sich um ein von uns gemeinsam ausgewickeltes Exemplar. (Ich muß kaum erwähnen, daß Ramses’ Mumienfaszination ein Erbe seines Vaters ist – die er, wie bei unserem Sohn häufig der Fall, bis ins Extrem auslebt.)
»Du könntest die Gelegenheit beim Schopfe greifen und einen Vortrag über altägyptische Flüche halten«, schlug ich vor. »Und darauf hinweisen, daß es etwas Derartiges gar nicht gab.«
»Nun, aber das wäre nicht völlig korrekt, Peabody. Erinnerst du dich noch an den Text der Mastaba von Kentika: >Alle unreinen Männer, die in mein Grab eindringen …< Wie lautet der weitere Text?«
»Der genaue Wortlaut ist mir entfallen. Irgend etwas von dem raubvogelgleichen Herabstoßen und von Zerstörung und Verurteilung durch das Tribunal des allmächtigen Gottes. Wohl kaum eine tödliche Bedrohung, Emerson, da besagtes Tribunal alle gläubigen Ägypter nach ihrem Tod konfrontierte. Außerdem galt dieser Text wie auch alle anderen den Unruhestiftern im Totenreich.«
»Und die Flüche auf den Gefäßen und Tonscherben«, sinnierte Emerson. »>Der soundso, Sohn des soundso, soll sterben …< Ein klassisches Beispiel für kongeniale Magie; wenn das Gefäß zertrümmert wurde, mußte besagte Person sterben.«
»Solche Fälle könntest du sicherlich erwähnen«, pflichtete ich ihm bei.
»Könnte ich«, schnaubte Emerson, »wenn ich einen Vortrag halten und die Mumie enthüllen dürfte.«
»Budge hat sich dem Plan widersetzt?«
»Oh, er hielt ihn für eine hervorragende Idee.«
»Warum dann –«
»Weil, meine liebe Peabody, weil dieser verfluchte – äh – dieser verdammte Bas … – äh – Kerl ihn selbst ausführen will!«
»Ach, du meine Güte«, bemerkte ich mitfühlend. »Nachdem du dich so sehr darauf gefreut hast … Aber wie kann er das tun? Schließlich macht es überhaupt keinen Sinn, meterweise Bandagen abzuwickeln, wenn man nicht das anatomische Wissen zu einer fundierten Untersuchung des Leichnams besitzt, um dessen Geschlecht, Alter und – äh – dergleichen zu bestimmen.«
»Sicherlich wird ihm irgendein Scharlatan von der königlichmedizinischen Akademie assistieren«, stieß Emerson
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