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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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seinen altägyptischen Vorbildern. Nachdem der Besucher die großen Eingangssäulen passiert hat, steht er in einem von Säulengängen umgebenen Hof. Durch immer dunkler werdende Räume, Hallen und Gänge erreicht er schließlich das Allerheiligste, das Heiligtum, die Heimstatt des Gottes selbst. So sah der einfache Grundriß aus; im Laufe der Jahre hatte man in Ägypten wie auch hier weitere Hallen und Säulen hinzugefügt, sofern der Platz es gestattete. Dieser Tempel war wie der von Abu Simbel zum Großteil aus den Klippen gehauen. Aufgrund der Raumnot in der Stadt waren mehr und mehr Kammern im Felsen hinzugekommen, die vielerlei Zwecken dienten.
    Ich vermutete, daß es außer den Räumen, die wir gesehen hatten, noch geheimere und heiligere Kammern gab, denn die letzten Geheimnisse des Gottes blieben gewöhnlichen Gläubigen verborgen und waren nur den Priestern und Priesterinnen zugänglich. Da es sich um eine öffentliche Zeremonie handelte, ging ich davon aus, daß sie im äußeren Hof stattfinden würde, was auch der Fall war. In der Hypostylenhalle wimmelte es von Menschen. Wie die Ölsardinen drängten sie sich in den Säulengängen zu beiden Seiten und auf dem offenen Platz in der Mitte. Zwei Reihen bewaffneter Wachen hielten eine Gasse frei, durch die man uns zu dem Säulengang gegenüber dem Tor führte. Dieser Bereich war den oberen Zehntausend und ihrem Hofstaat vorbehalten – hochrangigen Priestern mit rasierten Schädeln und leuchtendweißen Gewändern; Adligen beiderlei Geschlechts, mit funkelndem Gold und Juwelen behängt; Musikerinnen mit Harfen, Flöten und Trommeln – und unseren Wenigkeiten. Wir nahmen die uns zugewiesenen Plätze ein und betrachteten die Szenerie mit großem Interesse.
    »Ich frage mich, ob ich hier rauchen darf«, sagte Emerson.
    »Das wäre unhöflich, Liebling. Schließlich handelt es sich um eine Art Gotteshaus.«
    »Hmmm«, brummte Emerson. Wie ich musterte er gebannt den Gegenstand, der über dem Platz vor den Arkaden aufragte. Es war ein massiver Gesteinsquader, dessen Verzierungen wegen der Verwitterung und der häßlichen Flecken, die auf seiner Oberfläche und an seinen Seiten ein bizarres Muster bildeten, kaum noch zu sehen waren. Eine dunkle Wolke schien über dem Block zu liegen, als scheue selbst das helle Sonnenlicht vor ihm zurück. Im alten Ägypten hatte man keine Menschenopfer dargebracht; das Blut auf den Altären war das armer, verängstigter Rinder und Gänse gewesen. Aber hier … Nun, das würden wir zweifellos bald herausfinden.
    Ich wandte mich einem erfreulicheren Anblick zu und betrachtete die festlich gekleideten Adligen. Es waren auch Kinder darunter – Mädchen, denen man goldene Ringe ins dunkle Haar geflochten hatte, und kleine Jungen, deren einzelne Haarlocken im Sonnenlicht schimmerten wie die Flügel eines Raben. Einer ähnelte Ramses so sehr, daß mein Herz einen Moment aussetzte. Doch als er sich umdrehte und mich anstarrte, war die Ähnlichkeit wie weggeblasen.
    Wie dumm von mir anzunehmen, er könne hier sei. Tarek hätte einem so kleinen Jungen nie gestattet, sein Leben im Kampf aufs Spiel zu setzen. Ich fragte mich, wo sich Tareks Männer wohl sammeln mochten. Nastasens Soldaten waren überall. Sie umringten die Zuschauer und mischten sich unters Publikum. Ihre Speerspitzen blitzten in der Sonne, daß einem die Augen schmerzten. Offenbar rechnete auch Nastasen mit einem Angriff. Mir kam es vor, als stünden seine Chancen besser, nicht nur, weil er die zahlenmäßig überlegenere Truppe besaß, sondern auch, weil das Gebäude ihm Schutz bot. Es würde schwierig werden, den Tempel durch diesen engen und gut bewachten Eingang zu stürmen.
    Nastasens Elitetruppen, hochgewachsene, kräftige Burschen im besten Mannesalter, umringten den Thron und den eigenartigen kleinen Pavillon dahinter. Er bestand aus geflochtenem Schilf, war vergoldet und mit schweren Tüchern verhängt. Seiner Form nach ähnelte er mit seinem abfallenden Dach und den Randleisten denen, die ich auf ägyptischen Reliefs gesehen hatte. Ich versetzte Emerson, der finster die Reihen der Zuschauer musterte, einen Schubs. »Glaubst du, sie ist da drin?«
    »Wer? Wo? Ach, da! Hmmm. Schon möglich. Aber im Augenblick interessiert mich viel mehr, wo Ramses stecken könnte.«
    Ich erklärte ihm meinen Verdacht. »Ohne Zweifel«, antwortete Emerson gereizt. »Aber ich wünschte, sie würden endlich anfangen. Wahrscheinlich müssen wir den Großteil der verdammten Zeremonie

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