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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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über uns ergehen lassen. Wenn Tarek nur die geringste Ahnung von Strategie hat, wird er bis zum Höhepunkt warten, da das Publikum dann abgelenkt ist.«
    Eine Bewegung ging durch die Menge, und ein aufgeregtes Raunen wies darauf hin, daß sich endlich etwas tat. Von unseren Plätzen aus konnten wir den Eingang nicht sehen, so daß wir den Neuankömmling erst erkannten, als er vor uns stand. Es war Reggie, gekleidet wie ein Adliger bis hinauf zu der Perücke aus grobem, dunklem Haar, die seinen leuchtenden Rotschopf verbarg.
    Vielleicht ist dem werten Leser bereits aufgefallen, daß Reggie in unseren Fluchtplänen keine Rolle spielte. Das war nicht so herzlos von uns, wie es den Anschein hatte. Was der Tag auch für Tarek bringen mochte, Reggie hatte auf jeden Fall größere Überlebenschancen als wir. Falls Amenit ihn nicht retten konnte, würden wir wahrscheinlich auch nicht mehr zuwege bringen. Sollte uns die Flucht gelingen, würden wir sofort eine weitere Expedition losschicken. Im Augenblick jedoch ging das Leben der Kinder – Ramses’ und Nefrets – vor.
    Glücklicherweise ahnte Reggie nichts von unserem kaltblütigen Entschluß und begrüßte uns mit einem tapferen Lächeln. »So sehen wir uns schließlich wieder. Wenigstens werden wir gemeinsam sterben.«
    »Ich habe nicht die geringste Absicht zu sterben«, fauchte Emerson. »Sie sehen lächerlich aus, Forthright. Warum haben Sie sich in diese Kleider stecken lassen?«
    »Was spielt das noch für eine Rolle?« Reggie seufzte. »Mir macht nur das Schicksal des armen kleinen Jungen Sorgen. Auch wenn er noch am Leben ist, wird er ohne seine Eltern wohl kaum durchkommen.«
    »Ich ziehe es vor, dieses Thema nicht zu erörtern«, entgegnete Emerson. »Aha, ich glaube, die Vorstellung fängt an.«
    Durch den Eingang zum inneren Hof kam Nastasen herein. Abgesehen von seinem langen, schwarzen Haar trug er die Tracht eines einfachen Priesters. Ihm folgten eine kleine Gruppe hoher Würdeträger, die beiden Hohepriester, weitere Wachen – und noch ein Mensch, bei dessen Anblick ich mich fragte, ob die vorgestrigen Ereignisse nicht nur ein schrecklicher Alptraum gewesen waren: Er sah genauso aus wie Heneshems »Hand«, der Mann, den Emerson beseitigt hatte; derselbe gedrungene, muskulöse Körper, dasselbe derbe Gesicht, derselbe schimmernde Speer und derselbe knappe Lendenschurz.
    »Verdammt!« rief Emerson aus. »Ich dachte, ich hätte das A… umgebracht.«
    »Emerson, bitte, mäßige dich! Es ist nicht derselbe Mann, das ist einfach nicht möglich.«
    »Dann muß er sein Bruder sein«, murmelte Emerson. Und wirklich, der widerwärtig lüsterne Blick, den der Mann meinem Gatten zuwarf, wies auf eine Vorfreude hin, die nicht nur in seinem Berufsethos begründet sein konnte.
    Dann erschien, begrüßt von Musik und Tanz, dem Klappern der Sistren und den Rufen der Gläubigen, der Gott selbst.
    Mit funkelnden Augen beugte sich Emerson vor. »Du meine Güte, Peabody, sieh dir das an! Es ist die Barke des Gottes – das Schiff, das auf alten Reliefs abgebildet ist. Noch keinem Wissenschaftler hat sich jemals eine solche Gelegenheit geboten.«
    Diejenigen unter meinen Lesern, die gern mehr über die Bedeutung von Schiffen in altägyptischen religiösen Zeremonien erfahren möchten, verweise ich auf Emersons Artikel im Journal für ägyptische Archäologie .An dieser Stelle will ich nicht mehr verraten, als daß der fragliche Gegenstand den heiligen Barken nachempfunden war, in denen der Gott seine verschiedenen Heiligtümer besucht. An Bug und Heck war der Kopf des Gottes eingeschnitzt: Amon-Re mit gehörnter Krone und Scheibe. Auf langen Stangen steckten die heiligen Insignien des Amon, und in der Mitte des Boots befand sich ein Schrein (oder Tabernakel) aus hellem Holz, der mit Tüchern verhängt war. Obwohl es sich nur um einen Nachbau im kleineren Format handelte, waren fünfundzwanzig bis dreißig Träger nötig, um es von der Stelle zu bewegen.
    Der Gott, der sich gewöhnlichen Sterblichen sonst nicht zeigte, war nun zu sehen, denn man hatte die Vorhänge zurückgezogen. Eine derart merkwürdige Statue war mir noch nie untergekommen, und sie mußte unglaublich alt sein. Sie war etwas über einen Meter hoch und bestand aus bemaltem und vergoldetem Holz. Ihre Arme waren vor der Brust verschränkt; in den Händen hielt sie das Zwillingszepter. Ein zartes Leinengewand verhüllte ihre nackten Glieder; die breite Brust schmückte ein fünfzehn Zentimeter breiter

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