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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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anzusehen, wie sie ihn langsam zu Tode quälten. (Aber falls das ihre Absicht war, hatte ich um so mehr Grund, mich zu beeilen.) Ja, zu erleben, wie die Gemahlin des Gottes sich gleich einer riesigen Vampirfledermaus an meinen Gatten klammerte, um ihm bei lebendigem Leib das Blut aus den Adern zu saugen … Ich rief mich zur Vernunft. Diese schreckliche Frau hatte es gewiß nicht auf Emersons Blut abgesehen.
    Ich muß wohl kaum betonen, daß ich bereits ins Innere des Tempels hastete, während mir diese Gedanken durch den Kopf schossen, wobei ich Tarek mit meinem Sonnenschirm zur Eile antrieb. Ramses lief neben mir her; uns folgte der alte Murtek, dessen unersättliche Neugier – sein ausgeprägtester Charakterzug – stärker war als seine Angst.
    Als wir durch Korridore, die nur schwach von qualmenden Lampen erleuchtet wurden, tiefer und tiefer ins Zentrum des Berges vordrangen, hörte ich huschende Schritte. Wahrscheinlich würde sich so eine Katze fühlen, wenn sie in der Lage gewesen wäre, durch die Gänge von Mäusen und Maulwürfen zu kriechen. Die kleinen Tiere würden vor ihr fliehen, genau so wie sich die Bewohner dieses finsteren Labyrinths vor uns in Sicherheit brachten – sie wußten nicht, welches Schicksal ihnen bevorstand, und fürchteten das Schlimmste.
    Während wir Seite an Seite weitergingen, flüsterte Tarek eindringlich: »Ehe die Morgensonne den Tag begrüßt, müßt Ihr weit fort von hier sein, Herrin. Die Karawane sammelt sich schon; sie wird Euch zur Oase führen und Euch den richtigen Weg zeigen. Ich verlange nicht, daß Ihr Geheimhaltung schwört, denn ich weiß, Euer Wort gilt mehr als der Eid eines jeden Mannes. Ich bitte Euch nur, das Geheimnis zu wahren, bis ich mein Volk auf den unausweichlichen Augenblick vorbereiten kann, an dem die Welt da draußen wie ein Wolfsrudel über uns herfällt. Ihr könnt mitnehmen, was Ihr wollt – Gold – Schätze –«
    »Ich will Euer Gold nicht, Tarek. Ich will nur meinen Mann – und das Mädchen, um dessentwillen Ihr soviel erduldet habt.«
    »Ja, Herrin, deshalb habe ich Euch hierhergebracht, obwohl ein Licht erlöschen wird, das mein Leben erhellt, wenn sie mich verläßt. Doch das Weiße vereint sich nicht mit dem Schwarzen …«
    »Redet keinen Unsinn, Tarek. Ihr schwatzt wie ein Schauspieler mit Lampenfieber. Was ist los?«
    Tarek blieb stehen. Obwohl die Luft im Tunnel feucht und kalt war, glänzten die Schweißperlen auf seiner Stirn. »Herrin, ich flehe Euch an. Geht nicht weiter. Ich werde … ich werde gehen und den Vater der Flüche zu Euch zurückbringen.«
    Meine Antwort fiel knapp und barsch aus. Tarek warf Murtek einen hilfesuchenden Blick zu.
    »Die Götter haben es beschlossen«, sagte der alte Heuchler. »Wie kann man den Wind am Wehen hindern? Oder eine Frau daran, daß sie ihren Willen durchsetzt?«
    »Besonders diese Frau hier«, entgegnete ich und umfaßte fest meinen Sonnenschirm. »Schnell, Tarek.«
    Tarek erhob keinen weiteren Einspruch. Zuerst ging er so rasch, daß Ramses rennen mußte, um mit ihm Schritt zu halten. Doch allmählich wurde er langsamer, und als wir ein mit bestickten Wandbehängen und Kissen prächtig ausgestattetes Vorzimmer erreichten, blieb er stehen. In Nischen brannten Lampen; niemand war zu sehen. Tarek wies auf die Vorhänge am gegenüberliegenden Ende des Raums. Ich ergriff den Sonnenschirm mit der linken Hand und stürmte hinein.
    In diesem geheimen und abgeschiedenen Raum hatte man die prächtigsten Schätze des Königreichs gesammelt. Jedes Möbelstück war mit gehämmertem Gold überzogen und mit Juwelen und Emaille verziert. Bestickte Wandbehänge verbargen die steinernen Mauern. Die Gefäße auf den Tischen bestanden aus purem Gold und quollen von den verschiedensten Speisen über. Tierfelle bedeckten den Boden. In einem mit einem Vorhang versehenen Alkoven stand eine niedrige Liege. Darauf lag Emerson mit geschlossenen Augen. Sein Gesicht wurde von einer Lampe an der Ecke hell beleuchtet. Und über ihn beugte sich die verschleierte Gestalt einer Frau.
    In meiner Phantasie hatte ich eine solche Szene schon gesehen, obwohl es sich hier um eine groteske Verzerrung meines Traumbildes handelte. Die gebräunten, männlichen Züge meines Gatten hatten nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem klassischen goldblonden Romanhelden, und aus der Gestalt, die neben ihm aufragte, hätte man vier geheimnisvolle Verführerinnen machen können. Sie war so gedrungen und fett wie eine riesige

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