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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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natürlich gestattet wurde. Evelyn war zu sanft, um jemandem eine Bitte zu verweigern, und ich hätte nicht im Traum daran gedacht, Emerson in seinem eigenen Wohnzimmer an irgend etwas zu hindern. (Obwohl ich mich gelegentlich dazu gezwungen sah, ihn um Aufschub einer gewissen Beschäftigung zu bitten, bis ein angemessener Grad an Intimsphäre hergestellt war.)
    Schließlich ging ich zum Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Die Wolken hatten sich verzogen, und das Mondlicht legte einen silbernen Hauch auf den Rasen. Als ich so dastand und die Schönheit der Nacht bewunderte (denn ich bin eine große Naturfreundin), störte auf einmal ein jähes Krachen den träumerischen Frieden. Darauf folgten rasch ein zweites und ein drittes.
    Ich wandte mich um. Mein Blick traf den von Emerson.
    »Wilderer«, meinte Walter träge. »Gut, daß der kleine Ramses schläft. Er wäre sofort da draußen …«
    Emerson stürmte mit der Behendigkeit eines Panthers zur Tür hinaus. Ich lief ihm nach, wobei ich mir nur noch Zeit ließ zu erklären: »Keine Wilderer, Walter! Das waren Pistolenschüsse! Bleib hier bei Evelyn.«
    Ich raffte meine scharlachroten Rüschen und jagte meinem Gatten nach. Er war noch nicht weit. Als ich hinauskam, stand er auf dem Rasen und spähte in die Finsternis. »Ich kann nichts feststellen«, meinte er. »Aus welcher Richtung kamen die Geräusche?«
    Wir konnten uns nicht auf eine Antwort einigen. Nach einer heftigen Auseinandersetzung – in deren Verlauf Emerson mein Ansinnen, uns aufzuteilen, damit wir rascher ein größeres Gebiet absuchen konnten, rundheraus ablehnte – marschierten wir in die Richtung los, die ich vorgeschlagen hatte: zum Rosengarten und dem kleinen Waldstück, das dahinterlag. Obwohl wir alles sorgfältig durchkämmten, fanden wir nichts Außergewöhnliches. Ich wollte schon Emersons Aufforderung folgen, die restliche Suche auf morgen zu verschieben, als wir die Räder eines Fahrzeugs hörten.
    »Da drüben!« rief ich und zeigte mit dem Finger.
    »Das ist nur der Karren eines Bauern, der zum Markt fährt«, sagte Emerson.
    »Um diese Uhrzeit?« Ich lief los und rannte quer über den Rasen zu der Baumreihe hinüber, die unser Grundstück nach Norden hin begrenzt. Da das Gras sehr naß war, erreichte ich – auch wegen meiner zierlichen Abendschuhe – nicht meine gewohnte Geschwindigkeit. Also hatte Emerson mich bald überholt, und er achtete nicht auf meine Bitten, doch auf mich zu warten. Als ich endlich neben ihm angekommen war, hatte er schon das Tor in der Ziegelmauer – den Seiteneingang zu unserem Garten – durchschritten. Er stand reglos da und betrachtete etwas auf dem Boden.
    Dann drehte er sich um und hielt mich mit ausgestrecktem Arm zurück. »Bleib stehen, Peabody. Das ist eines meiner Lieblingskleider. Es wäre schade, wenn es verdorben würde.«
    »Was …«, fing ich an, aber es war überflüssig, die Frage auszusprechen. Wir befanden uns am Ende der Baumreihe. Ein schmaler Pfad, der normalerweise nur von Karren und landwirtschaftlichen Fahrzeugen benutzt wird, verlief längs der Mauer. Auf der zerfurchten Erde schimmerte die Lache im Mondschein so schwarz wie Tinte, und die Lichtstrahlen liebkosten ihre Oberfläche mit zittrigen, silbernen Fingern. Doch es war keine Tinte. Im Tageslicht würde die Flüssigkeit eine völlig andere Farbe haben – etwa die gleiche wie mein scharlachroter Rock.

3. Kapitel

    »Er versprach allen Damen viele Söhne.«
     
    Mit dem auffälligen Mangel an Intelligenz, der ihren Berufsstand auszeichnet, weigerten sich unsere Dorfpolizisten zu glauben, daß hier ein Mord geschehen war. Aber zumindest teilten sie meine Auffassung, kein Lebewesen könne einen derartigen Blutverlust überstehen. Sie verkündeten, dies sei ein Indiz mehr dafür, daß hier ein Verbrechen an einem Tier verübt worden sei, weshalb es sich gar nicht um ein Verbrechen handelte – wenigstens nicht um Mord. Als ich sie darauf hinwies, daß Wilderer nur selten zu Handfeuerwaffen greifen, lächelten sie nur höflich und schüttelten die Köpfe – nicht aufgrund dieser allzu offensichtlichen Tatsache, sondern über die Vorstellung, eine Frau könne in der Lage sein, die beiden Geräusche voneinander zu unterscheiden. Dann fragten sie – sogar noch höflicher –, aus welchem Grund der mutmaßliche Mörder die Leiche seines Opfers fortgeschafft haben sollte.
    Das genau war der Schwachpunkt meiner Theorie. Denn man hatte weder eine Leiche noch blutige

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