Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt
wurde, wie sehr sie an dieses Transportmittel gewöhnt waren – und setzten unseren Weg fort. Da die Gangart eines Kamels jede Plauderei unmöglich macht, beschloß ich zu warten, bis Emerson und ich allein waren, um das Thema Reginald Forthright und das unentschuldbare Betragen meines Gatten zur Sprache zu bringen.
Doch als dieser ersehnte Zustand endlich eintrat, kam es zu anderen Ereignissen, und als wir diese – zur beiderseitigen Zufriedenheit – hinter uns hatten, war Reginald Forthright, wie ich zugeben muß, nicht mehr Mittelpunkt meines Interesses.
Kemit und seine beiden Freunde erfüllten unsere Erwartungen nicht nur, sondern überstiegen sie sogar. Sie arbeiteten unermüdlich, erledigten jeden Auftrag mit größter Sorgfalt und befolgten Anweisungen buchstabengetreu. Überdies erwiesen sie sich alle – besonders Kemit – als äußerst geschickt im Erlernen unserer Grabungsmethoden. Natürlich belohnten wir sie, indem wir ihnen größere Verantwortung übertrugen und sie mit Respekt behandelten (obwohl ich dem werten Leser hoffentlich nicht eigens sagen muß, daß wir mit all unseren Arbeitern ebenso höflich umgingen wie mit unseren englischen Dienstboten). Sie waren bei den Dorfbewohnern nicht beliebt, denn diese betrachteten selbst die Angehörigen von Stämmen aus der näheren Umgebung wegen ihrer isolierten Lebensweise als Fremde. Allerdings kam es nicht zu den Schwierigkeiten, mit denen ich schon fast gerechnet hatte. Kemit und seine Begleiter zeigten den anderen die kalte Schulter; sie bauten sich ein kleines tukhul in einiger Entfernung vom Lager der Männer und zogen sich dorthin zurück, sobald der Arbeitstag vorüber war.
Für gewöhnlich begannen wir schon in aller Früh mit der Arbeit und tranken vorher nur eine Tasse Tee. Am Vormittag legten wir dann eine Frühstückspause ein. Während dieser Mahlzeit fand ich am Tag nach unserem Besuch in der Garnison endlich die Zeit, mit Emerson über Mr. Forthright zu sprechen. Er hatte Mr. Budge erwähnt. »Gestern habe ich im Vorbeigehen eine wohlbekannte, beleibte Gestalt in Begleitung einiger Offiziere im Lager herumstolzieren sehen«, meinte er in barschem Ton. »Bist du ihm vielleicht begegnet, Peabody?«
»In der Tat«, antwortete ich. »Er und ich hatten die Ehre, mit General Rundle zu Mittag zu speisen. Du warst auch eingeladen, Emerson.«
»Sie konnten mich nicht einladen, weil sie mich nicht finden konnten«, meinte Emerson selbstzufrieden. »Ich ahnte schon, daß so etwas passieren würde, und deshalb habe ich mich rar gemacht. Es ist schon schwierig genug, in Gegenwart einer Horde Kommißköpfe höflich zu bleiben; Budge hätte mir den Rest gegeben. Vermutlich hat er wie immer geprahlt und sich in die Brust geworfen.«
»In gewisser Weise. Aber es war nicht seine Prahlerei, die dir den Rest gegeben hätte.«
»Was dann?« Emersons Gesichtszüge röteten sich. »Hatte er etwa die Frechheit, dir zu nahe zu treten, Peabody? Bei Gott, wenn er es gewagt haben sollte …«
»Beruhige dich, Emerson. Du mußt dir die fixe Idee abgewöhnen, daß sich jeder Mann, dem ich begegne, sofort bis über beide Ohren in mich verliebt. Mr. Budge hat in dieser Hinsicht nie das geringste Interesse gezeigt.«
»Ihm fehlt der gute Geschmack, um dich wertzuschätzen«, stimmte Emerson mir zu. »Was hat er also getan, Peabody?«
»Er hat mir freundlicherweise mitgeteilt – und auch den Offizieren –, daß Mr. Reginald Forthright sich auf dem Weg hierher befindet, und zwar auf deine Einladung hin. Er möchte sich an der Expedition zur Suche nach der Verlorenen Oase beteiligen.«
Glücklicherweise hatte Emerson seinen Tee schon ausgetrunken. Sonst wäre er sicherlich daran erstickt. Ich werde dem werten Leser eine genauere Beschreibung der keuchenden, unzusammenhängenden Aufschreie, die sich seinen Lippen entrangen, ersparen. Dank seiner gewohnt raschen Auffassungsgabe verstand er, daß Budges Aussage ihn zum Gespött gemacht hatte, und darauf bezog sich auch der Großteil seiner Verwünschungen. Seine Kommentare, durchsetzt mit den Flüchen, denen er seinen Ruhm im ganzen Niltal verdankte, wurden immer lauter, so daß man sie auch noch in einiger Entfernung vernehmen konnte. Die Männer drehten sich um und starrten uns an. Kemit, der auf Anweisungen wartete, riß die Augen auf – die erste Gefühlsregung, die ich je in seinem undurchdringlichen Gesicht gesehen hatte.
Ich schlug Emerson vor, seine Stimme zu senken. Als er verstummte, fuhr ich
Weitere Kostenlose Bücher