Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt
der vergangenen Ereignisse aufwarten kann …«
Ramses und Emerson fingen gleichzeitig an zu reden und verstummten dann. »Unterhaltungen mit der Familie Emerson sind überaus anregend«, meinte Reggie wie zu sich selbst. »Darf ich auch einmal etwas sagen?« Er fuhr fort, ohne uns die Gelegenheit zu einer Antwort zu geben. »Wie ich annehme, Herr Professor, haben Sie Mrs. Emersons Schlußfolgerungen verworfen.«
»Was?« Emerson starrte ihn überrascht an. »Nein, nicht im geringsten.«
»Aber Sir …«
»Meine Erheiterung hatte ihre Ursache nicht in Mrs. Emersons Schlußfolgerungen, sondern in ihrer Art, selbigen Ausdruck zu verleihen«, sagte Emerson. »Ich könnte mir auch andere Erklärungen vorstellen, aber ihre ist ganz sicher die wahrscheinlichste.«
Verwirrt schüttelte Reggie den Kopf. »Ich verstehe das nicht.«
»Für einen durchschnittlichen Verstand ist es schwierig, Mrs. Emersons raschen Gedankengängen zu folgen«, meinte Emerson tröstend. »Und eins tut sie … o ja, Liebling, das kannst du nicht abstreiten: Sie übertreibt. Hier geht es nicht um übernatürliche Kräfte. Ramses’ eigenartiges Verhalten läßt sich einfach durch posthypnotische Suggestion erklären. Verursacher war der Magier, den wir in Haifa kennenlernten. Wenn wir annehmen – wozu wir inzwischen allen Grund haben –, daß Willoughby Forths Botschaft echt war, muß einer der Leute, die ihn gefangenhalten, sie nach England gebracht haben. Ansonsten wäre der Bote vorstellig geworden und hätte erklärt, wie er an das Papier gekommen ist. Von demselben geheimnisvollen Boten stammt möglicherweise die Blutlache, die wir vor unserer Gartenpforte fanden – doch wenn er verwundet war: Wer hat auf ihn geschossen und warum? Können wir daraus schließen, daß zwei verfeindete Parteien in die Angelegenheit verwickelt sind? Der Magier in Haifa und das Auftauchen eines Mannes letzte Nacht im Lager, der einen Pfeil von unbekannter altertümlicher Machart bei sich hatte, weisen wahrscheinlich auf Folgendes hin: Ein Mitglied einer der bereits erwähnten Parteien ist uns aus England gefolgt, und zwar aus Gründen … äh … aus Gründen, die ich jetzt noch nicht erklären kann.«
»Unsinn!« rief ich aus. »Die Gründe sind offensichtlich. Man will uns daran hindern, Willoughby Forth und seine arme Frau zu retten.«
»Zum Teufel, Amelia, jetzt fängst du schon wieder an«, stöhnte Emerson. »Dieses Ziel hätte man viel einfacher erreicht, indem man uns schlichtweg in Ruhe gelassen hätte. Sie, wer immer sie auch sein mögen, können nicht erwarten, daß wir tatenlos zusehen, wie sie unseren Sohn in ihre Fänge locken.«
»Da hast du recht, Emerson«, gab ich zu. »Wir schließen also daraus: Jemand will, daß wir die Forths retten.«
»Zum Teufel, wenn ich das nur wüßte«, stöhnte Emerson.
Auf dieses edle Eingeständnis seiner Fehlbarkeit folgte Schweigen; nachdenklich tranken wir unseren Tee, der allmählich erkaltete. Schließlich fragte Reggie ängstlich: »Was werden Sie tun, Herr Professor?«
Mit einem entschlossenen Klirren setzte Emerson die Tasse auf die Untertasse. »Etwas muß geschehen.«
»Ganz richtig«, stimmte ich ebenso entschlossen zu.
»Aber was?« wollte Reggie wissen.
»Hmmm.« Emerson strich über das Grübchen in seinem Kinn. »Nun, jedenfalls werde ich mich niemals auf eine närrische Expedition in die Wüste einlassen.«
»Wir könnten ja versuchen, Ramses noch einmal zu hypnotisieren«, schlug ich vor. »Vielleicht weiß er mehr, als ihm klar ist.«
Ramses reckte die Glieder und erhob sich. »Mit allem Respekt, Mama, möchte ich mich lieber kein zweites Mal hypnotisieren lassen. Nachdem ich zu diesem Thema einiges gelesen habe, bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich um eine gefährliche Beschäftigung handelt, wenn sie von einem Laien praktiziert wird.«
»Wenn du damit mich meinst, Ramses«, fing ich an.
»Meintest du denn nicht dich selbst?« fragte Emerson. Seine Augen funkelten. Er legte Ramses väterlich die Hand auf die Schulter. »Setz dich, mein Sohn. Ich werde nicht zulassen, daß Mama dich hypnotisiert.«
»Danke, Papa.« Ramses ließ sich wieder nieder, behielt mich jedoch ängstlich im Auge. »Ich habe gründlich über die Sache nachgedacht, und ich kann mit einiger Gewißheit sagen, daß die Stimme, die ich zu hören glaubte und die ich für die von Mama hielt, nur meine Deutung einer wortlosen, aber dringenden Bitte war. Ich hörte ein einziges Wort: >Komm.<«
»Komm
Weitere Kostenlose Bücher