Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt
Männern um, die, schmutzigen Wäschebündeln gleich, auf dem Boden kauerten. »Ruht euch aus, meine Freunde!« rief er fröhlich. »Wir brechen morgen früh auf.«
Die mürrischen Blicke, mit denen sie ihm gehorchten, schien er nicht zu bemerken. Es wäre Emerson nie in den Sinn gekommen, daß Arbeiter, die in seinen Diensten standen, sich gegen ihn auflehnen könnten. Und unter gewöhnlichen Umständen hätte auch ich nie an so etwas gedacht. Allerdings waren die Umstände alles andere als gewöhnlich, und die Entdeckung, die Emerson so begeistert hatte, hatte auf die Männer genau die entgegengesetzte Wirkung gehabt. Unser Wasser reichte für etwa zehn Tage. Laut Karte würden wir in sieben oder acht Tagen eine Quelle dieses lebensnotwendigen Nasses erreichen; aber wenn die Karte sich als unzuverlässig erwies, gebot der gesunde Menschenverstand umzukehren, solange wir noch genug für den Rückweg hatten. Die Männer hatten gehofft, wir würden den ersten Orientierungspunkt nicht finden und aufgeben. Nun, ich konnte ihren Standpunkt nachvollziehen. Doch als ich den bösartigen Blick sah, mit dem einer von ihnen meinen nichtsahnenden Gatten bedachte, beschlich mich ein unangenehmes Gefühl. Daouds Bereitwilligkeit, in die Wüste zurückzukehren, wo er schon einmal fast ums Leben gekommen wäre, hatte mich überrascht und erfreut. Er war ein Mann von beachtlichem Durchhaltevermögen, denn er hatte sich schneller als erwartet von den Strapazen erholt. Aber er war trotzig geworden, als Emerson seine Ratschläge, welchen Weg wir nehmen sollten, abgelehnt hatte. Und nachdem Daoud ihm mehrmals widersprochen hatte, war meinem Mann der Geduldsfaden gerissen. »Ich folge den Zeichen auf dem Papier und der Nadel in der magischen Uhr (dem Kompaß). Wenn dein Herr auf dich gehört hat, ist es kein Wunder, daß wir noch keine Spur von ihm entdeckt haben!«
Er hatte seine Ermahnung mit einigen ausgewählten Kraftausdrücken ergänzt, die Daouds Beschwerden ein für allemal ein Ende bereiteten. Oder wenigstens beschwerte er sich nicht mehr bei Emerson. Doch ich hatte das unangenehme Gefühl, daß er das Vertrauen der übrigen Männer untergrub.
Bis zu dem Punkt, an dem kein Umkehren mehr möglich war, hatten wir noch zwei Tage vor uns. Als wir am nächsten Morgen aufbrachen, war kein Anzeichen einer drohenden Meuterei festzustellen, auch wenn während der Nacht ein weiteres Kamel in den Kamelhimmel eingegangen war. Es blieben trotzdem noch genug übrig, um jedem Mann ein Reittier zur Verfügung zu stellen, und ich verarztete jedes von ihnen sorgfältig.
Als am fünften Tag die Sonne wie ein roter, angeschwollener Ballon aufging, war es dunstig und ruhig. Der Sandsturm war südlich an uns vorbeigezogen, aber seine Ausläufer erfüllten die Luft mit feinem Staub, der auf der Haut scheuerte und das Atem erschwerte. Eines unserer Kamele brach zusammen, kurz nachdem wir uns nach der Mittagspause wieder auf den Weg gemacht hatten. Weniger als eine Stunde später stürzte das zweite tot zu Boden. Wenn es irgendwo auch nur ein bißchen Schatten gegeben hätte, hätten die Männer wahrscheinlich auf einer Rast bestanden. Doch sie ritten weiter, um eine bessere Stelle zu finden. Gegen Abend drehte sich der Wind nach Norden, und die staubige Luft wurde klarer, was uns ein wenig Erleichterung brachte. Als die Sonne unterging, sah ich eine kahle Silhouette, die sich gegen den leuchtenden Himmel abhob. Es war weniger ein Baum als das Skelett eines solchen, unbelaubt und vom wehenden Sand knochenweiß poliert. Aber es handelte sich ohne Zweifel um Forths zweiten Orientierungspunkt.
In dieser Nacht kampierten wir in seinem Schatten – oder zumindest wäre es sein Schatten gewesen, hätte er Blätter gehabt. Natürlich war es unmöglich, sich zu waschen, doch wir benutzten eine kleine Tasse Wasser, um uns den Sand abzuwischen, der auf unseren schweißnassen Gesichtern und Gliedern eine Kruste gebildet hatte. Auch die sauberen Kleider waren eine Wohltat. Als sich die kalte Wüstennacht über uns senkte, saßen Emerson und ich an dem kleinen Feuer, auf dem unser kärgliches Abendessen brutzelte. Er hatte seine Pfeife angezündet. Ramses hockte einige Meter entfernt und unterhielt sich mit Kemit. Dahinter kauerten unsere Kamele, die im kalten Mondlicht bizarren Schatten ähnelten.
Jeden Abend schlugen die Männer ihr Lager weiter von uns entfernt auf, eine Geste, deren Bedeutung mir nicht entgangen war, auf die ich sie aber lieber nicht
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