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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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bezogen waren, während die anderen – die der Bogenschützen – weiße Flecken auf einem rotbraunen Hintergrund aufwiesen. Nun streckten die Männer die Schilde von sich und bildeten so eine lebende Wand, die den Raum der Breite nach teilte. Sie traten auch nicht beiseite, als ich mich näherte. Als meine Augen nur noch wenige Zentimeter vom wohlgeformten Kinn eines jungen Mannes entfernt waren, der der Anführer zu sein schien, war ich gezwungen stehenzubleiben. Er starrte weiter stur geradeaus.
    Ich wandte mich zu Emerson um, der die Szene offensichtlich belustigt beobachtete. »Sag ihnen, sie sollen mich vorbeilassen!« rief ich aus.
    »Benütz doch deinen Sonnenschirm«, schlug Emerson vor. »Ich bezweifle, daß sie jemals eine so schreckliche Waffe gesehen haben.«
    »Du weißt, daß ich ihn nicht bei mir habe«, fauchte ich. »Was soll das bedeuten? Sind wir Gefangene?«
    Emerson wurde wieder ernst. »Die Situation ist nicht so einfach zu erklären, Peabody. Ich habe zugelassen, daß du das hier selbst siehst, weil du sowieso darauf bestanden hättest. Komm, wir müssen darüber reden.«
    Er nahm mich beim Arm und führte mich den Korridor entlang. »Ziemlich geschickt gebaut«, stellte er fest. »Der gewundene Gang sichert den Bewohnern ihre Privatsphäre und erleichtert es, das Haus gegen Eindringlinge zu verteidigen. So etwas läßt vermuten, daß die herrschende Klasse nicht bei all ihren Untertanen gut angeschrieben ist.«
    »Ich will keine Andeutungen, Folgerungen und Spekulationen hören«, sagte ich, »sondern Tatsachen. Was hast du mir verheimlicht, Emerson?«
    »Komm in den Garten, Peabody.« Wir schlängelten uns zwischen einigen Dienern hindurch, die den Boden im Empfangssalon mit Sand und Wasser scheuerten, und setzten uns auf eine geschnitzte Bank neben dem Wasserbecken. Lilien und Lotusblumen bedeckten seine Oberfläche, einige von ihnen hatten einen Durchmesser von gut sechzig Zentimetern und schwammen auf dem Wasser wie geschnitzte Jadeteller. Eine sanfte Brise säuselte durch die Tamarisken und Perseabäume, in deren Schatten die Bank stand, und ein Chor von Vogelstimmen bildete die Ergänzung dazu. Im Garten wimmelte es von Vögeln: Spatzen, Wiedehopfen und anderen bunt gefiederten Tieren, die ich nicht kannte. Es war tatsächlich Zerzura – der Ort der kleinen Vögel.
    »Schön, nicht wahr?« Emerson nahm seine Pfeife aus dem Beutel, den er als Taschenersatz am Gürtel seines Gewandes hängen hatte. Am gestrigen Tag hatte er seinen letzten Tabak geraucht, aber offenbar war sogar eine leere Pfeife besser als gar keine. »Manche Menschen würden sich glücklich schätzen, den Rest ihrer Tage so in Ruhe und Frieden verbringen zu können.«
    »Manche Menschen«, antwortete ich.
    »Du etwa nicht? Du brauchst mir nicht zu antworten, mein Liebling, denn wie immer sind wir uns völlig einig. Keine Angst, wenn wir fortwollen, werden wir dazu Mittel und Wege finden. Ich wollte nichts unternehmen, ehe du nicht wieder auf dem Damm bist. Möglicherweise müssen wir uns den Weg freikämpfen, Peabody. Ich hoffe es zwar nicht, aber falls es doch dazu kommt, brauche ich dich an meiner Seite – mit gezücktem Sonnenschirm.«
    Hatte je eine Frau ein bewegenderes Lob von ihrem Gatten erhalten? Sprachlos vor Stolz konnte ich ihn nur ansehen, während mir die Tränen der Rührung in die Augen stiegen.
    »Putz dir die Nase, Peabody«, sagte Emerson und reichte mir einen unglaublich schmutzigen Lappen, der einst ein gutes Taschentuch gewesen war.
    »Danke, ich benütze lieber meins.« Aus meinem Beutel nahm ich eines der viereckigen Leinenstücke, die auf meine Anweisung hin als Ersatz für meine verlorenen Taschentücher zurechtgeschnitten worden waren.
    »Wir waren noch nie in einer solchen Lage, Peabody«, fuhr Emerson fort und lutschte dabei nachdenklich an seiner kalten Pfeife. »Sonst waren wir immer mit den örtlichen Sitten und Gebräuchen vertraut und kannten das Verhalten und die Gewohnheiten der Menschen, mit denen wir zu tun hatten. Ausgehend von dem wenigen, was ich gesehen und gehört habe, habe ich einige Theorien über diesen Ort entwickelt. Hier scheinen einige verschiedene Kulturen auf eigenartige Weise verschmolzen zu sein. Ursprünglich war dieser Ort wie die Oase Siwa im nördlichen Afrika vermutlich dem Gott Amon geweiht. Meiner Ansicht nach sind einige der Priester, die Ägypten nach der Zweiundzwanzigsten Dynastie verließen, hierhergekommen und haben die alten Traditionen wiederbelebt.

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