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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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mehr. Das größere Haus hat einem Aufseher oder Beamten gehört. Es handelt sich eindeutig um eine Handwerkersiedlung, die mit einer Schutzmauer umfriedet war. Die regelmäßige Anordnung weist darauf hin, daß sie in ihrer Gesamtheit geplant und erbaut wurde, anstatt willkürlich zu wachsen wie gewöhnliche Städte. Petrie hat in Lahun ein ähnlich angelegtes Dorf entdeckt. Wie ich ihm sagte, müssen dort die Männer gewohnt haben, die die benachbarte Pyramide bauten und instand hielten.« Mit Blick auf Cyrus versuchte Emerson, seine Lippen verächtlich zu schürzen – eine Geste, deren Wirkung ein wenig von dem Heftpflaster abgemildert wurde, das besagte Gesichtspartie umgab – und fügte hinzu: »Wie Sie sehen, Vandergelt, war Echnaton doch kein so großer Dummkopf. Unser Dorf wurde von den Arbeitskräften, die die Gräber aushoben, sowie von den Grabwachen bewohnt. Und man hätte sich dafür gar keine bessere Stelle aussuchen können – in der Mitte zwischen den beiden Gruppen von Adelsgräbern und nicht weit entfernt vom Eingang zum Wadi, wo Echnatons eigenes Grab lag.«
    Diese im Brustton der Überzeugung geäußerte These (deren Richtigkeit durch spätere Ausgrabungen vollständig bestätigt wurde) erregte keinen Widerspruch, rief bei den Zuhörern allerdings auch keine Begeisterung hervor. Cyrus verlieh der allgemeinen Stimmung Ausdruck, als er sagte: »Und wenn schon, Emerson, in einem armseligen Handwerkerdorf werden wir sowieso nichts Interessantes finden. Ich hoffe inständig, daß Sie nicht vorhaben, die gesamte Siedlung auszugraben. Das würde den ganzen Winter dauern.«
    »Die typische Ansicht eines Dilettanten«, erwiderte Emerson mit seinem üblichen Zartgefühl. »Wir wissen fast nichts über die altägyptische Architektur von Wohnhäusern und noch weniger darüber, wie die gewöhnlichen Menschen gelebt haben. Historisch gesehen ist eine Entdeckung dieser Art weit interessanter als ein ausgeplündertes Grab, von denen wir bereits zu viele Beispiele kennen.«
    »Ich stimme Ihnen völlig zu«, sagte ich. »Da wir schon einmal angefangen haben, sollten wir die Arbeit auch ordentlich erledigen und einen abschließenden Bericht veröffentlichen, der unser Dorf mit dem in Lahun vergleicht.«
    Ich wußte, daß Emerson nichts dergleichen beabsichtigte, jedoch solange weiterstreiten würde, bis Cyrus ihm beipflichtete. Allerdings wäre er eher geneigt, einen Rückzieher zu machen, als mir in irgend etwas zuzustimmen.
    »Ich hatte nicht vor, in dem Dorf mehr als stichprobenartige Ausgrabungen durchzuführen«, meinte Emerson stirnrunzelnd. »Sobald das Haus des Aufsehers freigelegt und vollständig dokumentiert ist, werden wir woanders weiterarbeiten.«
    Charles sank zusehends in sich zusammen. Ich lächelte ihm aufmunternd zu. »Die Grenzstelen?« fragte ich. »Das sollte wohl unser nächstes Projekt sein.«
    »Oh, meinen Sie wirklich?« Emerson blickte mich finster an. »Die Grenzstelen können warten. Ich habe vor, mir als nächstes das Königswadi vorzunehmen.« Offensichtlich erwartete er meinen Widerspruch, also tat ich ihm den Gefallen. Männer sind ja so leicht zu beeinflussen! Als ich – scheinbar widerwillig – nachgab, glaubte Emerson, er habe sich durchgesetzt, während ich wußte, daß ich mein Ziel erreicht hatte. Wir würden ihm auf Schritt und Tritt folgen – wir alle. Gemeinsam ist man stärker – das ist zwar eine abgedroschene Phrase, aber wie die meisten ihrer Art trifft sie den Nagel auf den Kopf.
    Nach dem Essen baten Charles und René um die Erlaubnis, ins Dorf gehen zu dürfen. Der Ort rühmte sich, so etwas Ähnliches wie ein Café zu besitzen, wo die Männer am Abend schwatzend die Zeit vertrödelten; dort, erklärte Charles mit bezaubernder Freimütigkeit, hofften er und René ihr Ägyptisch zu verbessern und freundschaftliche Beziehungen zu den Dorfbewohnern zu knüpfen. Ich hielt ihnen einen kurzen mütterlichen Vortrag über die Gefahren allzu großer Freundlichkeit gegenüber einem bestimmten Teil der Bevölkerung, was die beiden sehr verlegen machte; in meinen Augen hätte es jedoch eine Pflichtverletzung bedeutet, dies zu unterlassen.
    Cyrus und ich zogen uns zu einem Kriegsrat in den Salon zurück. Ich lud auch Emerson dazu ein, doch er lehnte ab und stapfte in seine Kabine, was genau das war, was ich beabsichtigt hatte. Er hatte eine beträchtliche Menge Blut verloren und benötigte Ruhe. Außerdem wollte ich bestimmte Angelegenheiten mit Cyrus unter vier Augen

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