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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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vor Pein krümmte und schrie. Sein Kiefer war meiner Meinung nach nur geprellt, aber weil ich nicht gänzlich sicher sein konnte, hatte ich ihn ebenfalls bandagiert.
    Er bot einen schrecklichen Anblick, wie er dort auf einem Stapel Teppiche lag. Nicht einmal christliche Nächstenliebe und die moralischen Grundsätze des Berufsstandes, dem ich mich als formal unqualifizierte, aber talentierte Praktikerin zurechne, hätten mich dazu gebracht, sein zerlumptes, von Flöhen befallenes Gewand zu berühren oder seinen schmutzigen Körper zu waschen. Der Gipsverband an seiner Nase ragte in die Luft wie der seltsam anzusehende Schnabel eines Ungeheuers aus der Mythologie. Borstige schwarze Haare lugten kreuz und quer über und unter den Verbänden hervor, die fast die ganze untere Gesichtshälfte bedeckten. Unter den Augenlidern schimmerten weiße Schlitze. Der Mund stand weit offen und zeigte braune, verfaulte Zähne. Das Licht meiner Laterne warf Schatten, die die Häßlichkeit seines Gesichts noch betonten und die offene Mundhöhle aussehen ließen wie ein schwarzes Loch.
    Ich fühlte ihm den Puls und horchte auf seine Atmung. Mehr konnte ich im Augenblick nicht tun. Nur die Zeit und eine gehörige Portion Glück würden meiner Methode zum Erfolg verhelfen. Ich betete aufrichtig um seine Genesung, doch leider muß ich sagen, daß christliche Nächstenliebe sehr wenig mit diesem Gebet zu tun hatte.
    Als ich hinausging, war die Dämmerung bereits weit fortgeschritten. Im Licht der Laterne sah ich jedoch eine sich entfernende Gestalt. Das wehende Gewand verriet, um wen es sich handelte: Keiner der Männer bewegte sich so wie sie. Ich hatte nicht gehört, daß sie mit der Wache gesprochen hatte, also mußte sie umgekehrt sein, als sie mich im Zelt bemerkt hatte.
    Ich eilte ihr nach. »Bertha! Warte, ich will mit dir sprechen. Was hattest du hier zu suchen?«
    Sie nahm eine unterwürfige Haltung ein – die Hände gefaltet, den Kopf gesenkt. Mit leiser Stimme antwortete sie: »Ich wollte Ihnen helfen, den Mann zu pflegen, Sitt. Ich kann nicht viel tun, um meine Dankbarkeit zu zeigen, aber ich bin mit Frauenarbeit vertraut.«
    Es war, als habe sie sich vorsätzlich von ihrem europäischen Erbe losgesagt. Ihre Stimme, ihr Verhalten und auch ihre Ausdrucksweise wurden mit jedem Tag ägyptischer. Natürlich fand ich das ziemlich ärgerlich.
    »Es gibt keine Arbeit, die eine Frau nicht verrichten könnte«, sagte ich. »Darüber müssen wir beide uns irgendwann einmal unterhalten, Bertha. Im Augenblick kannst du mir am besten dadurch helfen, daß du weiterhin dein Gedächtnis durchforschst. Alles, woran du dich erinnerst, kann wichtig sein, auch wenn es dir nicht so vorkommt.«
    »Ich versuche es, Sitt«, flüsterte sie.
    »Und nenne mich nicht Sitt! Miss Peabody genügt, falls du meinen Vornamen nicht über die Lippen bringst. Komm jetzt. Der Verletzte benötigt nichts, was du ihm geben könntest.«
    Ein leises Geräusch, das wie ein Lachen klang, entfuhr ihren Lippen. Ich schloß, daß es ein unterdrücktes Husten gewesen sein mußte, denn ich hatte nichts gesagt, was zur Erheiterung hätte Anlaß geben können.
    Als wir uns zum Abendessen versammelten, hatte sich Kevin bereits bei René und Charlie eingeschmeichelt. Ich wußte nicht, wie ihm das bei René gelungen war, doch Charlies Herz hatte er dadurch gewonnen, daß er ihm seine Leidenschaft für Automobile gestand.
    »Ihnen gehört die Zukunft!« rief er begeistert aus. »Der Verbrennungsmotor von Daimler …«
    »Aber kennen Sie auch den Panhard?« unterbrach ihn Charlie. »Die Übertragung durch Schaltgetriebe …«
    Sie unterhielten sich weiterhin über unverständliche Dinge wie Kupplungen und Gänge, während Bertha sich an Renés Schulter lehnte und Emerson uns alle gleichermaßen finster anblickte, und ich … ich sah Emerson an. Das schien ihn reichlich nervös zu machen, aber für mich war das kein Grund, damit aufzuhören.
    Seit jenem aufregenden Ereignis im Grab hatte er kaum ein Wort mit mir gewechselt. Nur seine Wut über Kevins Erscheinen hatte dazu geführt, daß er sein Schweigen brach. Zuerst hatten mich seine Entschuldigung und das anschließende Verstummen ein wenig entmutigt. Auch ich habe romantische Züge und daher gehofft, daß diese leidenschaftliche Umarmung die Fesseln sprengen würde, die sein Gedächtnis gefangenhielten. Aber Dr. Schadenfreude hatte ja gesagt, daß dies unwahrscheinlich sei, er hatte mich sogar recht eindringlich vor einem solchen

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