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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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verderben gegeben hätte. Cyrus war fest entschlossen, das neue Grab zu untersuchen. Es war noch von keinem früheren Besucher des Wadi erwähnt worden und konnte deshalb mit Fug und Recht als unbekannt bezeichnet werden. Nichts beflügelt die Phantasie eines Archäologen mehr als die Hoffnung, eine solche Grabstätte als erster zu betreten. Offensichtlich kannte Emerson das Grab schon. »Dieser Halunke weiß mehr, als er zugibt«, war Cyrus’ niederschlagender Kommentar dazu. »Wahrscheinlich glaubt er, daß dort nichts Brauchbares zu finden ist, denn sonst hätte er schon vor langer Zeit in diesem Grab herumgewühlt. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Zum Teufel mit ihm! Es muß dort etwas geben.«
    Ich hatte ihm nichts von meiner Entdeckung erzählt. Die Fassung des Rings steckte in diesem Augenblick in meiner Jackentasche, und ich hatte das Gefühl, daß sie gegen meine Brust drückte. Aber das war natürlich Unsinn, denn sie war sehr klein und leicht. Wäre ich meinem archäologischen Gewissen gefolgt, hätte ich sie sicher verstaut in einer Schachtel zurückgelassen; fein säuberlich beschriftet mit Fundort und Datum. Ich kann den sonderbaren Einfall weder erklären oder rechtfertigen, der mich veranlaßt hatte, sie wie ein Amulett zum Schutze vor Gefahr an meinem Körper aufzubewahren.
    Die alten dämonischen, tierköpfigen Götter Ägyptens waren vom Ketzerkönig verboten worden. Allerdings ist es einfacher, ein Gesetz zu erlassen, als es durchzusetzen; vor allem dann, wenn das Verbotene gefühlshafte, tiefverwurzelte menschliche Bedürfnisse und Sehnsüchte anspricht. Bei früheren Ausgrabungen hatten wir Hinweise darauf gefunden, daß das einfache Volk seine geliebten Hausgötter nicht aufgab, wie befohlen worden war. Sobek war ein Krokodilgott, der hauptsächlich im Norden, in Fayum, verehrt wurde. Zum erstenmal war ein Abbild von ihm in Amarna aufgetaucht, doch das war nicht überraschender als die Entdeckung von Bes, dem grotesk anzusehenden Schutzpatron der Ehe, und von Thoueris, die ihre Hand über schwangere Frauen hielt. Doch als ich das Abbild des Krokodilgottes fand, nachdem ich einer weiteren tödlichen Gefahr nur um Haaresbreite entronnen war … verwundert es da, daß in meinem Kopf Aberglauben und Vernunft miteinander rangen?
    Erst die Schlange und dann das Krokodil. Stand uns nun noch der dritte schreckliche Schicksalsschlag bevor? Wenn sich die Mythen und Legenden bewahrheiten sollten, würde er die größte Bedrohung von allen bedeuten.
    *
    Die Männer mußten den Großteil des Tages damit verbringen, den Eingang zum Grab freizulegen, der von Gesteinsbrocken blockiert war. Manche hatten einen beachtlichen Umfang, und die Geröllhalde war durch wiederholte Fluten und die Sonneneinstrahlung hart wie Zement geworden. Ich wies Cyrus darauf hin, daß wir den Schutt sieben mußten. Wahrscheinlich war durch die obere Öffnung und weitere noch nicht entdeckte Felsritzen immer wieder Wasser eingedrungen und hatte Gegenstände nach draußen auf den Abhang gespült.
    Nur Cyrus’ gute Manieren – und, wie ich glauben möchte, sein Respekt vor meinen beruflichen Kenntnissen – hinderten ihn daran, heftig Einspruch dagegen zu erheben, da das eine Menge Zeit in Anspruch nahm. Es war schon später Nachmittag, als ich den Beweis für die Richtigkeit meiner Methode erhielt. Die Scherbe, die wir entdeckten, wäre von weniger sorgfältig arbeitenden Archäologen sicherlich übersehen worden.
    Es handelte sich nur um ein Stück Alabaster (oder besser gesagt Kalkstein), etwa fünf Zentimeter lang und auf den ersten Blick formlos. Feisal – der natürlich in meinen Arbeitsmethoden unterwiesen worden war – gebührte die Ehre, die Wichtigkeit dieses Fundes als erster erkannt zu haben. Lächelnd und in Erwartung eines Lobs brachte er mir die Scherbe. »Es steht etwas darauf geschrieben, Sitt. Siehst du die Hieroglyphen?«
    Die Aufregung, die jede Faser meines Körpers durchdrang, als ich die wenigen Schriftzeichen las, drängte für den Augenblick alle weiteren Überlegungen in den Hintergrund. Mit einem durchdringenden Schrei rief ich Cyrus herbei und zeigte ihm die bruchstückhafte Inschrift. »›Die ehrenwerte Frau des Königs, Neferneferuaten Nofretete.‹ Es handelt sich um den Teil eines Schawabti, Cyrus. Eines Schawabti von Nofretete!«
    »Ein Uschebti?« Cyrus riß mir die Scherbe aus der Hand. Ich verzieh ihm diesen Verstoß gegen die guten Manieren; wie ich erfaßte auch er die

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